DOPPELTE STAATSBÜRGERSCHAFT: DAS ÜBERFÄLLIGE SIGNAL?
Ein "Blätter"-Interview mit Helmut Rittstieg
"Nach Mölln" haben wir unter der Überschrift "Was jetzt
getan werden muß" u.a. gefordert, die unverzügliche Einbürgerung
aller schon länger hier lebenden "Ausländer" zu ermöglichen
und die Option doppelter Staatsbürgerschaft wie in anderen westlichen Ländern
einzuführen (vgl. "Blätter", 1-3/1993 und die vierte Umschlagseite
dieses Heftes). Im Märzheft riefen wir zur Unterstützung der Initiative
für ein "Referendum Doppelte Staatsbürgerschaft" auf, die für
Ende Juni einen Zwischenstand von rund 500 000 Unterschriften aüsiert hat.
Die Bonner Parteispitzen hingegen haben sich ein halbes Jahr lang auf ihren "Asylkompromiß"
konzentriert und alle Integrationsvorschläge beiseite gewischt. Drei Tage nach
der Verstümmelung des Grundgesetzartikels 16 im Deutschen Bundestag verbrannten
wieder türkische Frauen und Mädchen in Deutschland. "Nach Solingen"
ist die Forderung nach Er- möglichung der Doppelstaatsbürgerschaft nun
plötzlich in aller Munde. Karl D. Bredthauer befragte Helmut Rittstieg, Professor
für öffentliches Recht an der Universität Hamburg, nach dem politischen
und juristischen Stellenwert dieser Forderung. D. Red.
"Blätter": Seit Solingen konzentriert sich die Diskussion
von allen Seiten her auf die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft. Dort scheint
sich ein Durchbruch abzuzeichnen, dort scheint es möglich, so etwas wie ein
Zeichen zu setzen - Symbol für einen neuen Umgang mit den immer noch sogenannten
"ausländischen Mitbürgern". Halten Sie das für den richtigen
Ansatz: Welchen politischen und juristischen Stellenwert messen Sie der Forderung
nach der Ermöglichung von Doppelstaatsbürgerschaften bei?
Helmut Rittstieg: Der Springpunkt ist und bleibt für mich die Staatsangehörigkeit.
Das Abnorme ist, daß wir Menschen, die seit 20 Jahren in diesem Land leben
oder die in diesem Land geboren und hier aufgewachsen sind, als Ausländer bezeichnen.
Diese Menschen sind Inländer in jeder sinnvollen Anwendung des Wortes, sie
sind Inländer ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Und die schlichte Tatsache,
in einem Land als Ausländer zu leben, muß sich auf die Einstellung zu
diesem Land notwendig auswirken. Das gilt einerseits für die Einstellung derjenigen,
die als Ausländer bezeichnet werden; andererseits schlägt sich dieses
Denken, diese Bezeichnung auch im Verständnis der übrigen Bevölkerung
von dieser Bevölkerungsgrvppe nieder. Es ist eine separate Bevölkerungsgruppe,
die einen schlechteren Rechtsstatus hat. Von daher steht, und das ist die Erfahrung
aller Einwanderungsländer, zunächst einmal die Notwendigkeit im Vordergrund,
die Menschen in die Gesellschaft als gleichberechtigte Bürger aufzunehmen.
Aber dazu sind eben die Bürgerrechte und die Staatsangehörigkeit Voraussetzung.
Das kann natürlich durch eine Einbürgerung von der Art geschehen, wie
sie auch bislang schon, sehr begrenzt, möglich war: unter Verlust der bisherigen
Staatsangehörigkeit.
Springpunkt Staatsangehörigkeit
Eine solche Einbürgerung, eine Neubürgerschaft nur mit dem Staatsangehörigkeitsrecht
des Einwanderungslandes, wäre vielleicht noch in den 60er und 70er Jahren für
die Immigranten akzeptabel gewesen. Aber nachdem die Entwicklung so gelaufen ist,
wie sie gelaufen ist, d.h. als eine Ausgrenzungentwicklung, haben die von dieser
Ausgrenzung betroffenen Menschen auf die Abwertung durch die deutsche Gesellschaft
dadurch reagiert, daß für ihr Selbstbewußtsein die bisherige Staatsangehörigkeit,
die bisherige Nationalität eine ganz große Bedeutung gewonnen hat, eine
größere Bedeutung als vor der Einwanderung. Wenn man also heute als Voraussetzung
der Einbürgerung verlangt, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben,
geht ein wesentlicher Teil dieses Selbstbewußtseins verloren. Deshalb ist
die Frage der doppelten Staatsangehörigkeit jetzt mit Recht in den Vordergrund
gerückt. Wir haben ohnehin schon viele Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit
im Land, weil ja inzwischen die Kinder gemischtnationaler Ehen in aller Regel beide
Staatsangehörigkeiten haben. Praktische Probleme sind leicht lösbar. Das
einzige wirkliche Problem, das auftaucht, ist die Wehrpflicht. Aber das ist lösbar
und ist bei fast allen Herkunftsländern dadurch gelöst, daß die
Wehrpflicht bei Doppelstaatlern in dem Land abzuleisten ist, wo der Betrreffende
seinen dauernden Aufenthalt hat. Die Ablehnung der doppelten Staatsangehörigkeit
durch die Juristen läuft letztendlich auf das traditionelle juristische Staatsverständnis
hinaus, und dieses ist ganz eindeutig das Staatsverständnis des 19. Jahrhunderts.
Ein Indiz dafür, daß die alte Politik nicht mehr fortgesetzt werden kann,
ist die Erleichterung der Einbürgerung, die im Grundsatz schon durch das Ausländergesetz
von 1990 erfolgte, aber noch nicht in hinreichendem Maße, nämlich dort
noch nach der bisherigen Doktrin, also im wesentlichen unter Ausschluß der
doppelten Staatsangehörigkeit. Das Entscheidende und eigentlich Interessante
an diesem Ausländergesetz von 1990, das ja in vielem mit Recht kritisiert wurde,
ist aber, daß in diesem Punkt wirklich ein Durchbruch erfolgte. Als Voraussetzung
für die Einbürgerung wird nämlich nicht mehr auf die ethnische Assimilierung
abgestellt, wie das bis dahin noch nach dem Reichs- und Staatsangehö- rigkeitsgesetz
geschah, Die Voraussetzung für die Einbürgerung ist jetzt die Dauer des
Aufenthalts im Land (8 bzw. 15 Jahre), bei der jungen Generation der Besuch von
Schulen, ferner daß keine schweren Straftaten vorliegen. Neben dem Verlust
der bisherigen Staatsangehörigkeit sind dies die wesentlichen Voraussetzungen
für die Einbürgerung nach dem Ausländergesetz von 1990.
Einbürgerungsrichtlinien und neues Ausländergesetz
"Blätter": Gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen dem
Gesetz von 1990 und den Einbürgerungsrichtlinien von 1977 mit ihrem penetranten
Assimilationsanspruch? Sind die 77er Vorgaben nach wie vor die eigentliche Richtschnur?
Rittstieg: Nein; diese Einbürgerungsrichtlinien gelten nur für
die sogenannten Ermessenseinbürgerungen nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz.
Die Einbürgerung nach dem Ausländergesetz von 1990 ist keine Ermessenseinbürgerung,
sondern da besteht ein Regelanspruch auf Einbürgerung. Dafür gibt es inzwischen
eigene Anwendungshinweise des Bundesministers des Innern die von den Ländern
angewendet werden, obwohl der Bundesminister nicht für den Erlaß der
Verwaltungsvorschriften zuständig ist.
"Blätter": Nun scheint dieser Regelanspruch bisher nicht sehr
massiv in Anspruch genommen zu werden.
Rittstieg: Die Einbürgerungsvorschriften des neuen Ausländergesetzes
werden von den Behörden nach meinem Eindruck äußerst restriktiv
angewendet, obwohl die Richtlinien von 1977 hier unstreitig nicht gelten. Das hängst
nach meiner Einschätzung damit zusammen, daß die Innenministerien sich
als den harten Kern der Staatlichkeit verstehen und der Kern des Kernes dieser Innenverwaltung
die Staatsangehörigkeitsreferate sind. Da wird sozusagen der Gral des ethnischen
Staatsverständnisses gehütet. Im übrigen wird von dem neuen Regelanspruch
auch deshalb nur begrenzt Gebrauch gemacht, weil die Einbürgerung nach diesen
neuen Vorschriften eben nach wie vor im Regelfall mit dem Verzicht auf die bisherige
Staatsangehörigkeit verbunden ist.
"Blätter": Haben Sie eine ungefähre Zahl:
Rittstieg: Die Zahl der Einbürgerungen von Immigranten ist aufgrund
der neuen Vorschriften gewachsen, aber immer noch sehr gering. Wenn ich richtig
informiert bin, lag sie bis 1991 bei ungefähr 10- bis 12000 jährlich und
ist für das Jahr 1992 auf 16000 oder 18000 gewachsen.
Ich halte es übrigens für ganz wichtig, daß neben der Frage der
Einbürgerung und der Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft die Situation
der hier geborenen Kinder von Immigranten berücksichtigt wird. Denn es werden
ja auch bei einer weiteren Erleichterung der Einbürgerung bei weitem nicht
alle Angehörigen der älteren Generation die deutsche Staatsangehörigkeit
erwerben. Man muß sich also fragen, was mit den Kindern hier geschieht. Ich
halte es für ganz nachteilig, wenn Kinder in diesem Land geboren werden, hier
aufwachsen, die deutschen Schulen besuchen und in diesen deutschen Schulen zwar
unter dem gleichen Lehrprogramm laufen wie deutsche Staatsangehörige, aber
doch für alle klar und deutlich als Ausländer behandelt werden. Das schafft
eine Situation für diese Kinder, die keine gute Vorbedingung für das Hineinwachsen
in diese Gesellschaft ist. Das schafft eine Ausgrenzungssituation, und das, was
oft vorgeschlagen wird und was nach dem gegenwärtigen Rechtsstand auch möglich
ist, daß diese Kinder nach Erreichen des 16 Lebensjahres die deutsche Staatsangehörigkeit
erwerben können, kommt zu spät. Es ist wichtig, daß sie von vornherein
die deutsche Staatsangehörigkeit haben mit der Möglichkeit, wenn sie volljährig
werden, auf diese zu verzichten, sich herauszuoptieren und sich mit der Staatsangehörigkeit
ihrer Eltern zu begnügen, die sie in diesen Fällen regelmäßig
gleich- zeitig haben.
"Blätter": Das wäre die Beifügung einer Dosis von
ius soli für die hier Geborenen...
Rittstieg:... und das entspricht der Praxis aller traditionellen Einwanderungsländer.
Das schließt Konflikte zwischen diesen Deutschen und anderen Deutschen nicht
aus. Auch in Frankreich gibt es ja genug Konflikte. Aber es wäre jedenfalls
ein Schritt gegen die Vertiefung des gesellschaftlichen Grabens, der in der Bundesrepublik
zur Zeit sehr deutlich zutage tritt. Die Frage des Staatsangehörigkeitserwerbs
ist eine Frage des Interesses dieser Gesellschaft, nicht nur der einzelnen Individuen.
Die Gesellschaft krankt politisch daran, daß sie in vollberechtigte Bürger
und minderberechtigte Ausländer gespalten ist.
"Blätter": Muß man an Artikel 116 GG ran?
Rittstieg: Der Artikel 116 des Grundgesetzes wäre ein weiterer Punkt,
den ich allerdings in diesem Zusammenhang nicht für entscheidend halte. Artikel
116 ist ein Relikt aus der Nachkriegszeit, er bezieht sich eigentlich auf die besondere
Situation der Vertreibung und ist durch das Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz
auf die Spätaussiedler ausgedehnt worden. Diese Ausdehnung ist jetzt durch
die neueste Gesetzgebung teilweise wieder zurückgenommen worden, und in diesem
eingeschränkten Maße sollte man diese Hoffnung ethnisch Deutscher etwa
in Gebieten der früheren Sowjetunion nicht von einem Tag auf den anderen streichen.
"Blätter": Zu diesem Zweck könnte man ja entsprechende
Quoten in einem Einwanderungsgesetz festlegen.
Rittstieg: Richtig. Man braucht, um diese Hoffnung aufrechtzuerhalten, nicht
unbedingt den Artikel 116, und man könnte ohne weiteres mit einer gesetzlichen
Regelung Einwanderungsquoten auch für ethnisch Deutsche festlegen, die in bestimmten
Herkunftsländern unter Druck geraten. Für die Aufhebung des Artikels 116
würde zwar auch sprechen, daß dieses ein Artikel ist, der bei den Verhandlungen
des 2+4-Vertrages übersehen wurde - er verweist noch auf die Grenzen von 1937.
Ich glaube aber, der Artikel 116 hat keine zentrale Bedeutung. Zentral wäre,
sich mit dem zugrunde liegenden Staatsverständnis auseinanderzusetzen.
Art. 116 GG - die völkische Definition des Deutschen
"Blätter": Wie kann das konkret aussehen? Was soll der Bundestag
machen, damit mehr stattfindet als eine Regierungserklärung nebst Debatte,
die das Aufkommen an frommen Sprüchen erhöht? Sollte er nicht doch gerade
den Artikel 116, wenn der denn nachkriegsbedingt ist, anpacken und den demonstrativ
ändern? Wäre das nicht ein gutes Signal? Oder ist die Schwelle zu hoch?
Rittstieg: Ich meine, daß es in dieser Situation darum geht, positive
Zeichen zu setzen, d.h. den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit anzubieten
und für alle hier Geborenen den automatischen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
vorzusehen, das sind positive Zeichen. Die Abschaffung des Artikels 116 würde
zusätzlichen Konfliktstoff gerade bei eher national-ethnisch gesinnten Kreisen
schaffen, und ich glaube, gegenwärtig ist kein Bedarf an zusätzlichem
Konfliktstoff.
Es gibt in der Verfassung eine Fülle von Relikten aus der Nachkriegszeit, Übergangsregelungen
für das Verhältnis der Bundesrepublik zum ehemaligen NS-Recht und für
den Übergang des Reichsvermögens. Diese Vorschriften stehen alle noch
im Grundgesetz, ohne daß sie irgend jemanden stören, und man sollte einfach
das Vergessen über solche Vorschriften breiten. Jetzt noch einen zusätzlichen
Konflikt aufzumachen, schiene mir politisch äußerst unklug.
Einbürgerung - ein Angebot, das zu spät kommt?
"Blätter": Zum Thema "Angebote machen": Wenn es jetzt
heißt, man muß den - sogenannten ausländischen Mitbürgern
die Einbürgerung erleichtern, fragt sich natürlich, ob es nicht attraktivere
Zeitpunkte gibt, "deutsch zu werden"...
Rittstieg: Das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt eben Großzügigkeiten
und Geschenke, die einfach nicht mehr angenommen werden, weil sie zu spät kommen.
Seit den 70er Jahren wäre die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts
notwendig gewesen, und sie ist auch immer wieder gefordert worden. In der gegenwärtigen
Situation kommt die Aufforderung, sich doch bitte einbürgern zu lassen, natürlich
sehr spät. Ich hoffe, daß es nicht zu spät ist. Wenn diese Aufforderung
mit der Zulassung der doppelten Staatsangehörigkeit verbunden ist, werden nach
meine Schätzung doch nicht wenige davon Gebrauch machen. Die Angst, die viele
haben, daß die Dinge in der Bundesrepublik sich noch weiter verschärfen,
daß es zu Pogromen kommt, daß eine Situation wie 1933 wieder entstehen
könnte - dieser Angst wird dadurch entgegengewirkt, daß die bisherige
Staatsangehörigkeit erhalten bleibt als Rückversicherung, als Staatsangehöriger
in das Herkunftsland der Eltern oder der Großeltern zurückkehren zu können.
"Blätter": Wie könnte das Angebot konkret geregelt werden?
Rittstieg: Man müßte einfach nur anknüpfen an die Regelungen
im Ausländergesetz von 1990 und die dort noch aufrechterhaltene Einschränkung
streichen, daß nämlich die Einbürgerung den Verlust der bisherigen
Staatsangehörigkeit impliziert.
"Blätter": D.h., wir brauchen eine Initiative für die
Novellie- rung dieses Gesetzes.
Rittstieg: Es ist etwas systemfremd, daß diese wichtigen Staatsangehörigkeitsvorschriften
im Ausländergesetz stehen. Eher würde ich die Initiative politisch als
eine Initiative für erleichterte Einbürgerung oder die doppelte Staatsangehörigkeit
und für Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt in diesem Land sehen.
Erleichterter Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - das wäre für
mich das Stichwort.
"Blätter": Dem Bundestag liegen dazu zwei Entwürfe vor.
Es gibt einen SPD-Entwurf, den Herta Däubler-Gmelin vorgelegt hat... Rittstieg:
...und es gibt einen Entwurf der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung,
der eine Anderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vorsieht. Frau
Schmalz-Jacobsen hat vorgeschlagen, dieses Gesetz so zu ändern, daß im
wesentlichen die Vorschriften über die erleichterte Einbürgerung aus dem
neuen Ausländergesetz dort aufgenommen werden, darüber hinaus der Staatsangehörigkeitserwerb
kraft Geburt im Lande. Das hielte ich für einen entscheidenden Schritt. Die
Forderung nach der doppelten Staatsbürgerschaft ist übrigens in diesem
Entwurf enthalten.
Der dringlichste Änderungsbedarf
"Blätter": Wir sind noch bei der Frage, welche rechtlichen Hindernisse
beseitigt werden müssen. Wo sehen Sie die gefährlichsten Klippen, den
dringlichsten Änderungsbedarf?
Rittstieg: Den dringlichsten Änderungsbedarf überhaupt sehe ich
in der rechtlichen Strukturierung der ja weiterhin stattfindenden Einwanderung.
Ich meine, daß in gewissem Maße die Art und Weise, wie man mit Spätaussiedlern
umgeht, beispielhaft ist. Wenn Spätaussiedler in dieses Land aufgenommen werden,
dann erhalten sie in ganz erheblichem Umfang Eingliederungshilfen. Ihnen wird zunächst
einmal für gegenwärtig acht Monate ein bezahlter Sprachunterricht angeboten.
Man bietet ihnen Berufsförderungskurse an, und sie erhalten selbstverständlich
auch sofort die deutsche Staatsbürgerschaft, übrigens durchhaus unter
Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit. Man kümmert sich darum,
daß sie möglichst bald eine Wohnung bekommen, d.h., es wird alles getan,
um sie so schnell wie möglich in diese Gesellschaft einzugliedern. Diese Politik
hat Erfolg, dennn nach wenigen Jahren sind Spätaussiedler Teil dieser Gesellschaft
geworden, ohne besondere Ausgrenzung, ohne besondere Auffälligkeit. Sie haben
natürlich noch ihre Besonderheit und treffen sich in ihren Heimatvereinen,
was völlig normal und auch sehr wichtig ist. Aber sie sind kein ausgegrenzter
Teil der Gesellschaft. Dieses Beispiel müßte auf andere Einwanderergruppen
übertragen werden.
Wir brauchen eine gezielte Gleichstellungspolitik: Benachteiligungen im Sozialrecht,
in der Erwerbstätigkeit müssen für diejenigen, die zur Einwanderung
zugelassen sind, abgeschafft werden, unabhängig davon, ob sie die deutsche
Staatsangehörigkeit erwerben oder nicht.
Es geht vor allem um den Abbau der ethnischen Konfrontation
Ich halte übrigens nichts von einen Antidiskriminierungsgesetz mit besonderen
Quoten und ähnlichem, weil das in der gegenwärtigen angespannten gesellschaftlichen
Situation völlig unakzeptabel wäre, das würde die Feindschaft zwischen
den Bevölkerungsteilen anstacheln...
"Blätter": Besondere Quoten...
Rittstieg: ...etwa im Bereich der Erwerbstätigkeit oder bei der Wohnungsvergabe
oder ähnlichem. Ich halte auch relativ wenig von strafrechtlichen Sanktionen
in diesem Bereich, wie sie andere Länder kennen, weil diese strafrechtlichen
Sanktionen eher zusätzliche Konflikte schaffen. Ich wäre also für
eine Gleichstel- lungspolitik, nicht eine Antidiskriminiervngspolitik in dem Sinne
der positiven Diskriminierung, also der Begünstigung.
"Blätter": "Ausländer", die sehr lange in der
Bundesrepublik leben und sich gut auskennen, wie Bahman Nirumand oder Hakki Keskin,
scheinen große Hoffnungen in ein Antidiskriminierungsgesetz zu setzen, ebenso
wie in Organisationsverbote, was ein anderes Thema ist. Zum Beispiel verspricht
sich Nirumand von einem Antidiskriminierungsgesetz bessere Handhaben, der Verunglimpfung
von "Ausländern" entgegenzutreten.
Rittstieg: In diesem Bereich könnte man vielleicht zusätzliche
Strafsanktionen vorsehen oder vielleicht auch Entschädigungen. Da muß
man alllerdings sehr vorsichtig sein; ein durchgängiges Antidiskriminiervngsgesetz
mit eigenen Behörden wie in England hat auch dort nicht sehr positiv auf das
Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen eingewirkt.
Man muß von der konkreten Situation ausgehen, wie sie jetzt in der Bundesrepublik
besteht. Es geht darum, die ethnische Konfrontation abzubauen. Dazu soll m.E. die
Einbürgerung dienen. Und dazu kann auch die Gleichstellung dienlich sein. Insofern
könnte auch das Verhältnis zu Immigranten aus EG-Ländern ein gutes
Beispiel sein. Denn die gesellschaftliche Mißachtung traf ja zunächst
auch Immigranten aus Italien, aus Griechenland, aus Spanien, aus Portugal, und ich
meine, einen gewissen Einfluß im Sinne eines entspannteren und entkrampfteren
Verhältnisses, wie es heute gegenüber den Immigranten aus diesen Ländern
herrscht, hat ganz einfach die rechtliche Gleichstellung kraft Erwerb des EG-Status
gehabt. Ich glaube, daB die rechtliche Gleichheit sozialpsychologisch das Verhältnis
zwischen den Bevöl- kerungsgruppen entkrampft.
"Blätter": Ein interessanter Punkt. Die Frage ist natürlich,
inwieweit größere kulturelle Nähe etwa im Vergleich zu den Türken
- man denke an Augsteins "Prinz Eugen"-Kommentar - eine Rolle dabei spielt.
Rittstieg: Der kulturelle Faktor wird ständig übertrieben, und
zwar gerade von denen, die die multikulturelle Gesellschaft fordern. Denn das, was
wir hier z.B. an Besonderheiten bestimmter türkischer Immigrantengruppen registrieren,
hat wenig mit authentischer kultureller Entwicklung in der Türkei zu tun, sondern
viel mehr mit den besonderen Bedingungen der Bundesrepublik. Weil die Bundesrepublik
die hier ansässigen Türken bisher rechtlich und gesellschaftlich diskriminiiert,
muß diese Gruppe, um ihr Selbstbewußtsein zu wahren, eigene Strukturen,
eigene Gründe für das Selbstbewußtsein entwickeln, und das ist dann
eben zum Teil extremer Nationalismus und eine Besinnung auf religiöse Werte
und Verhaltensweisen, wie sie in der Türkei, jedenfalls in deren westlichen
Landesteilen, kaum noch anzutreffen sind. Das ist also eine typische Immigrantenkultur...
Warum keine türkischen Polizisten?
"Blätter": Wenn man die Grundklärung - durch Überwindung
oder wenigstens zunächst Relativierung des ius sanguinis - erreichen würde,
die durch die problemlose Ermöglichung der deutschen Staatsbürgerschaft
für die hier Geborenen erfolgen könnte - wie groß ist denn danach
der Änderungsbedarf bei allen möglichen Einzelgesetzen? Warum gibt es
z. B. keine türkischen Polizisten in Solingen oder anderswo?
Rittstieg: Wenn der Zugang zur Staatsangehörigkeit eröffnet würde,
wäre die rechtliche Gleichstellung da, und damit auch die rechtliche Möglichkeit
des Zugangs zu allen Beamtenberufen. Im übrigen ist es ja jetzt schon so nach
dem Beamtenrecht, daß ausnahmsweise ein fremder Staatsangehöriger auch
Beamter werden darf. Es gibt meiner Kenntnis nach auch bisher schon in bestimmten
Bundesländern einige wenige Polizisten ohne deutsche Staatsangehörigkeit.
"Blätter": Unter Einschränkung ihres Status...
Rittstieg: Nein. Soweit ich weiß besteht, wenn sie die Laufbahnvoraussetzungen
erfüllen, kein Hindernis, sie auch vollgültig zu Beamten zu machen, so
wie das ja bei einer ganzen Reihe von Professoren der Fall ist. - Also diese Gleichstellung
wird durch die Öffnung der Einbürgerung ermöglicht. Das gilt auch
politisch: Wenn von der Einbürgerung Gebrauch gemacht wird, beginnt das Immigrantenvotum
zu zählen. Das wiederum heißt, daß diese Bevölkerungsgruppe,
die ja bislang weder eine Lobby hat noch Wählerstimmen, damit zu einem politischen
Faktor wird. Und das ist unbedingt notwendig. Es ist ein schlimmes Defizit des politischen
Systems der Bundesrepublik Deutschland, daß ca. 5 Millionen Menschen, die
auf Dauer in diesem Land mit fremder Staatsangehörigkeit leben, auch politisch
in keiner Weise zählen. Dabei besteht auf dieser Ebene kein Änderungsbedarf,
der über die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts hinausginge.
Änderungsbedarf gibt es im Hinblick auf die Menschen, die nach wie vor einwandern
werden, etwa unter dem Aspekt des Familiennachzuges. Um gegenüber diesen Menschen
eine positive Einwanderungspolitik einzuleiten, besteht ein gewisser rechtlicher
Änderungsbedarf, der aber nicht sehr umfangreich ist.
Ein Minderheitenschutz-Vertrag mit der Türkei?
"Blätter": Ein anderer Punkt. Freimut Duve hat erklärt,
man solle mit der Türkei einen Vertrag schließen, in dem die aus der
Türkei stammenden Mitbürger den Status einer nationalen Minderheit erhielten
- nach dem Muster des deutsch-polnischen Vertrages, den er für beispielhaft
hält. Wie sehen Sie das?
Rittstieg: Ich halte den deutsch-polnischen Vertrag und die deutsche Minderheitenpolitik;
die jetzt in Polen einsetzt, für ein abschreckendes Beispiel, insbesondere,
wenn man die Geschichte der Minderheitenpolitik in der Zwischenkriegszeit ins Auge
faßt. Da war Minderheitenpolitik insbesondere verbunden mit dem Recht auf
eigene Schulen, und wenn Sie das jetzt auf die Bundesrepublik in der heutigen Situation
extrapolieren würden, dann wäre ganz deutlich und für jeden einsichtig,
daß eine solche Minderheitenpolitik mit dem Recht auf eigene Schulen die gesellschaftliche
Abgrenzung eher fördert. Das ist eine Form der Desintegration. Ich finde demgegenüber
sehr klug, was seit der Weimarer Verfassung, übernommen durch das Grundgesetz,
gilt: daß zwar private Volksschulen möglich sind, aber eben nicht zur
Spaltung der Bevölkerung, wie es dort heißt, nach Besitzklassen beitragen
sollten. Ich würde sagen, Schulen sollten auch nicht zur ethnischen Spaltung
beitragen. Eine Minderheitenpolitik wie in der Zwischen- kriegszeit würde das
tun. Übrigens steht im deutsch-polnischen Vertrag nichts von eigenen Minderheitenschulen,
allerdings von der Möglichkeit der finanziellen Förderung der deutschen
Minderheit, und das hat große Bedeutung insofern, als die Bundesrepublik erhebliche
Finanzmittel dorthin bringt. Das wäre bei der umgekehrten Anwendung dieser
Minderheitenpolitik hier wohl nicht in diesem Ausmaß der Fall. Ich bin für
eine Menschenrechtspolitik im Sinne des Rechtes jeder Gruppe und jedes Menschen,
seine kulturelle Identität zu wahren, zu fördern, religiöse und ethnische
Identität zu fördern, aber ich bin dagegen, aus einer Minderhei- tenpolitik
eine Politik im Sinne der Separierung zu machen. Das ist äußerst konfliktträchtig,
und in der gegenwärtigen Situation der Bundesrepublik wäre das, glaube
ich, ein ganz falscher Schritt.
"Blätter": Taugt der Begriff der Minderheit denn in unserem
Zu- sammenhang überhaupt?
Rittstieg: Im völkerrechtlichen Sinn werden als Minderheiten nur solche
ethnischen Gruppen bezeichnet die erstens die Staatsangehörigkeit des Landes
der Mehrheit haben die zweitens in einem relativ geschlossenen Siedlungsgebiet leben
und die drittens traditionell dort leben, also die sogenannten traditionellen Minderheiten.
Die Bemühungen um das Minderheitenrecht, die neuerdings im Rahmen der KSZE
und des Europarates wieder eingesetzt haben, beschränken sich auf diese Gruppen
erfassen also gerade nicht die international immer noch sogenannten Wanderarbeitnehmer
oder Immigranten, Gastarbeiter, ausländischen Mitbürger, Inländer
ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Sie sind im völkerrechtlichen Sinn
keine Minderheit.
Auch die Farbigen in den Vereinigten Staaten etwa sind ja keine Minderheit im völkerrechtlichen
Sinne. Ein Problem bei einer solchen Politik der positiven Diskriminierung oder
der "affirmative action", wie es in den USA heißt - es gibt kein
deutsches Wort dafür -, ist, daß die Menschen immer wieder auf ihre Ethnizität
oder auf - ihre Hautfarbe zurückgeworfen werden. Von dem bevorrechtigten Zugang
zu Universitäten oder zu bestimmten Beschäftigungsverhältnissen kann
nur jemand Gebrauch machen, der erklärt: ich bin ein Farbiger, oder ich gehöre
der und der Ethnizität an. Ich meine, das fördert eher das ethnische Denken
Ich glaube daß dieses ethnische Denken, der ethnische Nationalismus, eine
der europäischen Fehlentwicklungen des 19. Jahrhunderts ist, ein Atativmus,
der möglichst überwunden und nicht gefördert werden sollte.
"Nachholende Gründung" und Integration
"Blätter": Bleibt die Frage nach dem Stellenwert dieser Auseinandersetzung
in dem größeren Rahmen der nachholenden Gründung, also der Integration
der verschiedenen Bevölkerungsgruppen der neuen Bundesrepublik. Normalerweise
denkt man dabei nur an "Ossis" und "Wessis", aber ganz offensichtlich
gibt es noch andere Bevölkerungsgruppen, deren Integration aussteht oder durch
die Entwicklung seit 1990 in einem anderen Licht erscheint. Wie sehen Sie diesen
Kontext?
Rittstieg: Die Staatsangehörigkeit ist eine notwendige Vorbedingung
für die Integration von Bevölkerungsgruppen, aber keine hinreichende.
Das zeigt sich im Verhältnis von Ost- und Westdeutschen; die Integration ist
ja trotz gemeinsamer Staatsangehörigkeit, die aus westdeutscher Sicht schon
vor 1990 bestand, keineswegs gelungen und zeichnet sich auch nur in Randbereichen
ab. Das zeigt, daß die Staatsangehörigkeit und übrigens auch die
gemeinsame Ethnizität keine hinreichende Bedingung für eine Integration
der Bevölkerung ist. Allerdings erleichtert die gemeinsame Staatsangehörigkeit
ein relativ konfliktfreies gesellschaftliches Zusammenleben. Man wird auch nicht
leugnen können, daß ethnische Homogenität manche Konflikte, die
in multiethnischen Staaten auf der Tagesordnung sind, ausschließt.
"Blätter": Harmonie durch ethnische Homogenität - das
ist der deutsche Traum, aber das geht nicht mehr.
Rittstieg: Ja, diese Situation ist durch die Einwanderung ausgeschlossen,
und man muß sich darüber klar seiin, daß dieses Selbstverständnis
von ethnischer Homogenität, das die deutsche Gesellschaft und das deutsche
Staatsdenken seit dem 19. Jahrhundert beherrscht, im Grunde eine Konstruktion ist.
Denn wenn man ins 19. Jahrhundert zurückgeht, gab es ja eigentlich auch in
Deutschland eine multikulturelle Gesellschaft, allein wenn man den kulturellen Unterschied
von Stadt und Land sieht. Letzten Endes ist Deutschland in seiner Bevölkerung,
wie alle europäischen Länder, das Ergebnis von Wanderungsbewegungen gewesen.
Solche Wanderungen wurden mehr oder weniger integriert, nie völlig. Deutschland
war schon immer in gewissem Maße multiethnisch, nur das Selbstverständnis
hat das nicht so in den Vordergrund gestellt, das Selbstverständnis stellte
sehr stark auf ethnische Homogenität ab, natürlich auch, weil dies ein
Vehikel war, um die staatliche Einheit zu erzwingen. Das darf man nicht vergessen.
Die staatliche Einheit in Deutschland ist ja sehr spät gekommen, und von daher
ist das deutsche Staatsdenken immer noch von diesem Kampf um die staatliche Einheit
bestimmt, mit Hilfe der Konstruktion einer relativ starken ethnischen und kulturellen
Homogenität. Das 19. Jahrhundert hat auch auf kulturelle Homogenität sehr
viel Wert gelegt. Die Konstruktion eines deutschen Volkes ohne Staat war das wesentliche
Vehikel, um die staatliche Einheit zu erzwingen und zu fördern.
Ausländerwahlrecht?
"Blätter": Zum Abschluß vielleicht noch etwas zur Klärung
des Verhältnisses der Forderung nach Ausländerwahlrecht, des Verfassungsgerichtsspruchs
dagegen und der Doppelstaatsbürgerschaft. Ist es nicht so, daß die Doppelstaatsbürgerschaft
diese Fragen zumindest für die, die sie in Anspruch nehmen, erledigen würde?
Rittstieg: Ich habe immer die frage der Einbürgerung für die entscheidende
Frage gehalten und das kommunale Ausländerwahlrecht nur für ein Hilfsmittel,
um die Integration, gerade auch die politische Integration der Immigranten zu fördern.
Ich habe immer betont, daß dies die einzige Möglichkeit ist, auf Länderebene
etwas für die politische Integration zu tun.
Insofern ist es sehr wichtig, daß das Bundesverfassungsgericht in den beiden
Urteilen zum kommunalen Ausländerwahlrecht betont hat, unter demokratischen
Gesichtspunkten sei die Forderung richtig, daß alle Teile der ständig
anwesenden Bevölkerung das Wahlrecht haben; diese Forderung des Demokratieprinzips,
so das Verfassungsgericht, müsse allerdings durch eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts
erfüllt werden. Das halte ich für eine sehr wichtige Aussage, die meistens
bei der Lektüre dieser Entscheidung überschlagen worden ist.
Wenn die Einbürgerung in dem Sinne, den wir besprochen haben, weiter erleichtert
würde, im Sinne auch einer doppelten Staatsangehörigkeit, dann sehe ich
die politische Rechtfertigung für ein kommunales Ausländerwahlrecht nicht
mehr. Ich meine, daß selbst bei einer Verfassungsänderung ein kommunales
Ausländerwahlrecht zu verfassungsrechtlichen Problemen führt, weil das
Bundesverfassungsgericht seine Auffassung, das Grundgesetz schließe das kommunale
Ausländerwahlrecht aus, direkt aus dem Demokratieprinzip hergeleitet hat, und
das Demokratieprinzip ist eines der Prinzipien des Grundgesetzes, die der Verfassungsänderung
entzogen sind. Da wird es das Problem der verfassungswidrigen Verfassungsänderung
geben.
Türkei und EG
Zugespitzt zum Schluß noch einmal die Frage nach dem Zeichen, nach dem richtigen
Signal.
Rittstieg: Die Erleichterung der Einbürgerung ist ein wichtiges Signal, aber
wenn das nur auf der rechtstechnischen Ebene geschieht, kann ein solches Signal
verpuffen. Ich meine, es würde, um wirklich Einfluß auf die gesellschaftliche
Konfrontation nehmen zu können, ganz klar erklärt werden müssen,
daß man nun endlich Abschied nimmt von der Gastarbeiterpolitik, von jeder
Form der Fremdarbeiterpolitik, auch von der Politik der Werkvertragsarbeitnehmer,
soweit das mit einer Diskriminierung der Immigranten verbunden ist. Das würde
eine Erneuerung des Verhältnisses zu den Herkunftsländern der ehemaligen
Gastarbeitervoraussetzen, soweit sie nicht unmittelbar zur EG gehören. Das
würde etwa in be- zug auf die Türkei bedeuten, daß man endlich bereit
ist, für die hier lebenden Türken den assoziationsrechtlichen Status zu
realisieren. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat ja da schon
einige Eckpunkte gesetzt in seinen jüngsten Entscheidungen. Aber die Reaktion
des Bundesministeriums des Innern besteht darin, daß es diese Entscheidungen
des Europäischen Gerichtshofs für juristisch schwach begründet erklärt
und eine Nachprüfung durch das Bundesverwalttungsgericht anstrebt... Erforderlich
wäre, den Assoziierungsstatus der Türkei wirtschaftlich und politisch
auszubauen mit dem Ziel, auch die EG-Mit- gliedschaft neu zu prüfen. Das würde
die Bemühungen der türkischen Regierung um eine Europäisierung im
Innern erleichtern und gleichzeitig das Verhältnis zu den hier lebenden Immigranten
entkrampfen.
[ Top | Zurück
]
Most recent revision: April 07, 1998
E-MAIL:
Martin Blumentritt