Johannes Rogalla von Bieberstein
Die These von der freimaurerischen Verschwörung
Eine Beschäftigung mit der noch heute von rechtsradikalen sowie antimodernistisch-klerikalen
Kreisen propagierten Verschwörungsthese (1) hat
ihren Ausgang von der Feststellung zu nehmen, daß die vorrevolutionär-antiaufklärerischen
Verschwörungstheoreme den Boden dafür bereitet haben, daß ein Wiener
Gubernialsekretär im August 1790 in einer Eingabe an den Kaiser nachweisen
zu können glaubte, daß "das Rad der gegenwärtigen Irrungen
und Revolutionen Europens von der Bruderschaft der Freymaurer getrieben" werde(2). Die Basis für einen solchen, wahnhafte Züge
tragenden Verschwörungsglauben ist 1791 von einem Augsburger Jesuiten so formuliert
worden: "Eine Bruderschaft, die unter Personen von verschiedenen Ständen
eingegangen wird, hat kein Verhältnis zu der Verschiedenheit der hierarchischen
Ordnung, welche Gott zur guten Leitung der Welt eingesetzt hat, daraus folgt unnachläßlich
der Umsturz des geistlichen und weltlichen Systemes".(3)
Die Tatsache, daß die Verschwörungsthese von einem ständisch-hierarchischen
Standpunkt aus Fundamentalkritik am Gleichheitsprinzip übt, erklärt den
Sachverhalt, daß sie sowohl von Repräsentanten des vordemokratischcn
Ancien Régime, als auch von antiliberalen Vertretern des laizistischen Rechtsradikalismus
in Anspruch genommen werden konnte. Somit konstituiert die Verschwörungsthese
ein antimodernistisches Feindbild, welches dabei half "in feindlicher Nähe"(4) zueinander stehende Konservative und Nationalsozialisten
in gemeinsamer Frontstellung gegen Laizismus, Liberalismus und Sozialismus miteinander
zu verbinden.
So hat Kaiser Wilhelm II, welchem sein früherer - inzwischen mit Hitler verbündeter
- Feldherr Ludendorff seine antifreimaurerischen Pamphlete ins hollandische Exil
nachschickte, 1924 behauptet, die Schuld an der Revolution von 1918 "trifft
in erster Linie die Freimaurer"(5). Dabei ging
er davon aus, daß die Freimaurer der Mittelmächte mit den Entente-Freimaurern
unter einer Decke gesteckt hätten. Den Hintergrund für diese abwegige
Annahme bildet jene deutsche Kriegsideologie, nach der es "um den Sieg des
demokratisch-nationalen Prinzips über das theokratisch-autokratische, monarchisch-feudale,
militaristisch-imperialistische" ging. Dies hatte der Jesuit Hermann Gruber
in seiner 1917 publizierten Schrift Freimaurerei, Weltkrieg und Weltfriede behauptet.(6) Ganz ähnlich hat der langjährige alldeutsche
Präsident des Flottenvereins Fürst Otto zu Salm-Horstmar am 9.Juli 1918
in einer Herrenhaus-Rede argumentiert. Darin behauptete er unter Nennung der radikalaufklärerischen
bayerischen Illuminaten, alle Revolutionen der Neuzeit wären von Freimaurern
"in Szene" gesetzt worden. Im übrigen stellte er die "jüdisch-demokratische"
der "deutsch-aristokratischen Weltanschauung" gegenüber und warnte
vor der "jüdisch-freimaurerischen" Sozialistischen Internationale.
Nicht zuletzt ist es Adolf Hitler gewesen, der die von einer diabolischen freimaurerisch-jüdischen
Weltverschwörung handelnden "Protokolle der Weisen von Zion" als
politische Offenbarung begriffen hat. Dabei suchte er bezeichnenderweise die vermeintlichen
Verschwörer nachzuahmen und tat somit das, was er und seinesgleichen in wahnhafter
Weise anderen unterstellte.(7) Dies bestätigte
der Gauleiter Erich Koch dem Danziger Völkerbundskommissar indem er bemerkte:
"Hitler ist überzeugt, daß eine jüdisch-freimaurerische Verschwörung
vorhanden ist, die den englischen Absichten dient; Ich weiß, daß Ihnen
all das etwas primitiv vorkommt, aber ... jetzt sind es die großen Prinzipien,
die uns leiten und wir fühlen uns wohl dabei"(8).
Die Tatsache, daß die von der NS-Propaganda verbreiteten und von der zaristischen
Geheimpolizei unter Rückgriff auf ältere antifreimaurerische und antisemitische
Pamphletliteratur fabrizierten "Protokolle der Weisen von Zion" von dem
Judenreferenten des SD, SS-Unterführer Edler von Mildenstern intern als "Quatsch"(9) charakterisiert worden sind, verweist auf einen für
die Bewertung der Verschwörungsthese ganz entscheidenden Sachverhalt: Bereits
zum Zeitpunkt der Entstehung der Verschwörungsthese lassen sich neben naiven
und fanatischen Gläubigen, welche sich von verführerischen "einfachen
Prinzipien" leiten ließen, solche Machttechniker ausmachen, die zwar
über eine vereinfachend manichäische Weltsicht spotten, welche jedoch
in zynischer Weise die Ressentiments und Angste der durch krisenhafte Entwicklungen
zutiefst Verunsicherten und Gläubigen mit nicht geringem Erfolg zu manipulieren
suchten.
Was die Verschwörungsthese anbelangt, von der hier nur ihre antiaufklärerische,
konterrevolutionäre und antimodernistische Ausprägung thematisiert wird,
so ist für sie das Folgende konstitutiv: Die Verschwörungsthese hat ihren
Nährboden in Zeiten grundlegender ideologischer und politisch-ökonomischer
Verunsicherung. Diese ist durch die radikale Infragestellung alter und das gleichzeitige
Propagieren neuer Werte im Sinne von einen anderen gesellschaftlichen Grundkonsens
stiftenden Legitimitätsgrundlagen gekennzeichnet.(10)
Die "idee de complot", welche François Furet kürzlich als
"notion centrale et polymorphe" gekennzeichnet hat(11),
erfüllt dabei eine rationalisierende Funktion, indem sie vorgibt, für
alle existentielle Ängste hervorrufenden gesellschaftlichen Ereignisse eine
einfache und griffige Erklärung bereit zu haben. Sie ist durch eine interessengeleitete
und damit nicht-rationale Denkstruktur gekennzeichnet, welche dualistisch-manichäistische
Züge trägt. Damit entspringt sie einem Bedürfnis nach Reduktion der
komplexen Realität und vermag eine - wegen ihrer Wahnhaftigkeit - gefährliche
Orientierungsfunktion wahrzunehmen. Denn bei der Verschwörungsthese handelt
es sich überwiegend zugestandenermaßen - nicht um ein distanziertes und
unparteiisches Erkenntnisinstrument, sondern vielmehr um eine der Feindbestimmung
und damit der Feindbekämpfung dienende ideologisch-politische Waffe. Da die
Verschwörungsthese nämlich beinhaltet, daß kleine Minderheiten(12) den Geschichtsprozeß in entscheidender Weise
- und zwar illegitim - beeinflussen können, müssen diesen Minderheiten
zwangslaufig dämonisch-übermenschliche Kräfte zugeschrieben werden.
Gleichzeitig wird unter Herabsetzung moralischer Hemmschwellen die Hoffnung erweckt,
daß durch die Ausschaltung der wenigen, die Gesellschaft vergiftenden Bösen,
der soziale Organismus geheilt werden könne.
Bevor nun die Entstehung, die unterschiedlichen Ausprägungen sowie die geschichtliche
Relevanz der antifreimaurerischen Verschwörungsthese im Einzelnen dargelegt
wird, ist darauf hinzuweisen, daß der Verschwörungsthese erst in jüngster
Zeit ernsthafte wissenschaftliche Beachtung geschenkt wird. Wenn man sie früher
als ein "Schauermärchen"(13) abtat,
so wohl deshalb, weil man die Bedeutung der Angst und damit sozialpsychologischer
Mechanismen in der Politik verkannte(14) und weil
man darüber hinaus vielfach davor zurückschreckte, in einer Art Vergangenheitsbewältigung
peinliche Kapitel, insbesondere auch der neueren Kirchengeschichte, aufzudecken.(15)
Wie bereits festgestellt wurde, beruht die Verschwörungsthese auf einem antiaufklärerisch-antirevolutionären,
integral-christlichen Weltbild. Der Abbe und Exjesuit Augustin Barruel, der sie
unter Rückgriff speziell auch auf deutsche Pamphletliteratur in seinen erstmals
1797/98 in London publizierten und in neun europäische Sprachen übersetzten
und geschichtsmächtig gewordenen(16) "Memoires
pour servir a l'histoire du Jacobinisme"(17)
zu einem eingängigen System verarbeitet hat, behauptete nicht zufällig,
daß die aus Philosophen (Freidenkern), Freimaurern, Physiokraten, Juden, Jakobinern
und Republikanern gebildete "Sekte" sich "in Amerika mit den ersten
Grundlagen des Codex der Gleichheit, der Freiheit und des Souveränen-Volkes"
ankündigte(18). Für ihn wie für viele
andere Reprasentanten des durch die Symbiose von "Thron und Altar" gekennzeichneten
Ancien Regime stellten die Aktivitäten der "Sekte" - speziell aber
der Freimaurer - eine Revolte gegen den göttlichen Herrn dar. Denn: "Der
Gott, der die Menschen für die bürgerliche Gesellschaft geschaffen hat,
hat ihnen die vorgeblichen Rechte der Gleichheit und Freiheit, die Grundlagen der
Unordnung und der Anarchie, nicht beigelegt... Der Gott, der uns die Herrschaft
und die Aufrechterhaltung der Gesetze nur in der Subordination der Staatsbürger
unter die Obrigkeiten und Regenten, wahrnehmen lässet und zeiget, hat nicht
jeden einzelnen Staats-Bürger zum Regenten und zur Obrigkeit gemacht."(19)
Die Verschwörungsthese präsentiert sich also als aggressiver Ausdruck
jener politischen Theologie, welche durch die Gleichung Demokratie = Atheismus gekennzeichnet
ist.(20) Sie muß demzufolge im Zusammenhang
mit der vornehmlich in Frankreich geführten Diskussion über die "Dechristianisierung"
gesehen werden.(21) Hierbei ist zu beachten, daß
für die Traditionalisten die Devise "une foi, une loi, un roi" maßgeblich
war und daß der in der vorjakobinischen Phase der Französischen Revolution
unternommene Versuch, eine "democratie chretienne" zu begründen(22), als blasphemisch verworfen wurde.
Die Tatsache, daß die Verschwörungsthese eine hervorragende Bedeutung
erlangen und bis in die Gegenwart fortwirken konnte, erklärt sich wie folgt:
In der Freimaurerei als dem Subjekt der Verschwörungsthese sind die aufklärerischen
Ideale von religiöser und konfessioneller Toleranz, kosmopolitischer Orientierung,
Humanität und Brüderlichkeit verkörpert. Insbesondere deshalb, weil
der aufklärerische Fortschrittsglaube diesen Idealen ein optimistisch-vorwärtsdrängendes
Moment verlieh, konnte die im Arkanraum der Loge praktizierte Freimaurerei als eine
private und konkrete Vorwegnahme auf eine ideale Wert- und Sozialordnung erfahren
werden. Eine Wiener Freimaurerschrift von 1786, welche den bezeichnenden Titel Schatten
und Licht trägt, macht dies dcutlich: "Die Maurerei ... vereinigt Leute
aus allen Nationen, von allen Religionen, von allen Ständen: der Mexikaner,
der Sibirier, der Deutsche und der Japaner, der Christ und der Muselmann, und der
Jude, der Minister, der Kapuziner und der Feldmarschall umarmen einander in der
Loge: die Meinungen der Sekten werden wechselseitig geduldet."(23) Die moderne "spekulative" Freimaurerei hat wegen ihrer
in orthodoxen Kreisen als indifferentistisch abgelehnten Toleranzidee schon früh
den Argwohn der katholischen Kirche erweckt und wurde daher 1738 durch eine erst
1974 erheblich abgeschwächte(24) päpstliche
Bulle verdammt.
Nachdem die Freimaurcr bereits 1746 vom Abbé Gaultier bezichtigt worden waren,
eine "conspiration génerale contre la religion" zu organisieren(25), veröffentlichte der Abbé Larudan 1747
in Amsterdam die Broschure "Les francs-maçons écrasés".
Darin warnte er - konkreter Anlaß war der englisch-französische Krieg
- vor einer großen antikatholischen, protestantisch-freimaurerischen Vcrschworung.
Die Freimaurer machten "die vollkommene Freiheit und Gleichheit, so uns von
allen Artcn der Obrigkeit losmacht . . . einem jeden beliebt und anstandig".(26) Cromwell habe den Freimaurerorden gegründet,
um "das menschliche Geschlecht zu bessern und Könige und Potentaten, deren
Geißel er war, auszurotten".(27)
In der Schrift "Centinella contra Francs Masones" thematisierte der spanische
Dominikaner und Mitglied der Inquisition Joseph Torrubia das zum Aufhänger
für Verschwörungs-Unterstellungen gewordene freimaurerische Toleranzprinzip
wie folgt: "Der Katholik ist hier (in der Loge) der Bruder des Lutheraners,
des Kalvinisten, des Zwinglianers, des Schismatikers und wer weiß, ob nicht
des Mohammedaners und Juden."(28) Nachdem der
Fortschritt der vielfach antiklerikale Akzente tragenden Aufklärungsbewegung
die Befürchtungen der christlichen Orthodoxie noch gesteigert hatte, diffamierte
der Aachener Dominikaner Greinemann 1778 die Freimaurer von der Kanzel wie folgt:
"Die Juden, die den Heiland kreuzigten, waren Freimaurer, Pilatus und Herodes
die Vorsteher einer Loge. Judas hatte sich, bevor er Jesus verriet, in einer Loge
zum Maurer machen lassen."(29) Mit diesen Ausschreitungen
gegen Aachener Bürger und damit einen politischen Skandal hervorrufenden(30) Worten stellte sich Greinemann in die Tradition
des christlichen Antisemitismus. Zugleich aber brachte er erstmals die Juden und
die Freimaurer in einen konspiratorischen Zusammenhang, der dann bis ins zwanzigste
Jahrhundert hinein immer wieder konstruiert und darüber hinaus zum Anlaß
für konkrete, ja tödliche Verfolgungen gemacht worden ist.
Bei einer Bewertung der antiaufklärerischen und antifreimaurerischen kirchlichen
Polemik hat man zwar davon auszugehen, daß antifreimaurerische Verschwörungsvorwürfe
etwa im Zusammenhang mit der gelegentlichen - und auch in den Logen vor und nach
1789 keineswegs unumstrittencn - Aufnahme von Juden in Freimaurerlogen (31) oder auch der amerikanischen Revolution zwar abwegig sind; andererseits
ist jedoch nicht zu bestreiten, daß die Freimaurerei einen Beitrag auch zur
Emanzipation des Judentums geleistet hat und daß es eine Affinitat zwischen
freimaurerischen Idealen und der amerikanischen Declaration of Independance von
1776 gibt. So ist es gewiß kein Zufall, daß in den freimaurerischen
Gesprachen "Ernst und Falk" des Freimaurers Lessing von einem Freimaurer
die Rede ist, der zu denjenigen gehöre, die "in Europa für die Amerikaner
fechten". Er habe die Grille - so heißt es dort weiter -, "daß
der Congreß eine Loge ist, daß da endlich die Freimaurer ihr Reich mit
gewaffneter Hand gründen".(32)
Wie auch die antifreimaurerischen Attacken der Dominikaner Torrubia und Greinemann
zeigen, hat die aufklärerische Bedrohung der kirchlichen Orthodoxie, welche
sich etwa in dem nicht ganz freiwilligen päpstlichen Verbot des Jesuitenordens
von 1773 widerspiegelt, die Folge gehabt, daß kirchlicherseits Urängste
und mittelalterliche Vorstellungen reaktiviert worden sind. Dies bezieht sich sowohl
auf die Freimaurer als auch auf die - in der kirchlichen Tradition vielfach mit
dem Antichristen in Verbindung gebrachten und dämonisierten - Juden(33), auf welche neben
Elementen des Satansglaubens auch solche des Hexenglaubens(34)
übertragen worden sind. Hiervon zeugt etwa die erstmals 1761 in London publizierte
und anschließend - 1768 und 1769 - auch ins Deutsche und Französische
übersetzte Schrift: Freemasonry, the highway to hell, a sermon, wherein is
clearly proved, both from reason and scripture, tbat all who possess these mysteries
are in a state of eternal damnation.(35)
Eine Analyse der jeweils unterschiedliche Aktualisierungsformen annehmenden Verschwörungsthese
zeitigt das Ergebnis, daß ihr Realitäts- bzw. Wahngehalt große
Schwankungen aufweist. Der Abbe Barruel selbst spricht von einer "dreyfachen
Verschwörung .. . in welcher, lange vor der Revolution, der Ruin der Kirche,
der Ruin des Thrones, und endlich der Ruin der ganzen bürgerlichen Gesellschaft
geschmiedet wurde, und noch geschmiedet wird".(36)
Träger dieser Verschwörungen seien die jeweils mit der Freimaurerei assoziierten
Philosophen ("Sophisten des Unglaubens"), bürgerlich- konstitutionalistischen
Revolutionäre ("Sophisten des Aufruhrs") von 1789 und endlich die
Jakobiner ("Sophisten der Anarchie").(37)
Die erste dieser Verschwörungen, nämlich der Glaube an eine "philosophische
Conspiration"(38), nimmt sich im Vergleich mit
den anderen noch vergleichsweise realitätsnah und darum wenig wahnhaft aus.
Sie beruht nämlich gewissermaßen auf einem ideologisch- geisteswissenschaftlichen
Politikverständnis, nach dem aufklärerische und damit auch freimaurerische
Ideen auf eine recht direkte Weise zu politischen Gestaltungsprinzipien umgemodelt
worden seien. So wird den Freimaurern in der von Augsburger Exjesuiten herausgegebenen
"Neuesten Sammlung", welche die Geistlichen bezeichnenderweise als die
"treuesten Untertanen der Fürsten" pries, die den "freimaurerischen
Anschlägen gegen Thron und Altar hauptsächlich noch im Wege" ständen(39), im Zusammenhang mit Warnungen vor dem quasifreimaurerischen
radikalaufklärerischen Illuminatenorden nachgesagt: "Was soll man denken
von einem Haufen Leute, die nichts als Freiheit atmen, die nichts schreiben, werden
sie nicht auch frei handeln wollen?"(40)
Die nicht zuletzt im Kampf gegen den 1785 verbotenen Illuminatenorden, bzw. den
Illuminatismus, zu beobachtende gegenaufklärerische Reaktion, welche in dem
preußischen Religionsedikt von 1788 einen Höhepunkt fand, trug bereits
einen präventiv konterrevolutionären Charakter und hat die später
zu einem System ausgearbeitete Verschwörungsthese in hohem Maße präformiert.
So hat Ernst August von Goechhausen (1740-1824) in seinem 1786 anonym erschienenen
Buch Enthüllung des Systems der Weltbürger-Republik unter Hinweis auf
die Illuminaten behauptet, daß die Menschheit "mit blinden Augen"
dem Abgrund zutaumele. Darüber hinaus prognostizierte er: "Revolutionen,
die unausbleiblich sind, die ich erwarte und vorhersehe". (41)
Und der Pietist Jung-Stilling warnte 1788 in seinem "Lehrbuch der Staats-Polizey-Wissenschaft"
vor der Freimaurerei, da er herausgefunden habe, daß "die Logen Schulen
des Naturalismus, des Deismus, Verschwörungen gegen die heiligste Grundfeste
unserer Staatsverfassung, die wahre christliche Religion und wahre Geheimnisse der
Bosheit" enthielten.(42)
Die noch näher zu beleuchtende Biographie Goechhausens sowie auch diejenige
des Ingolstädter Exjesuiten und Theologieprofessors Benedikt Stattler, welcher
1787 mit der Entlarvungsschrift "Das Geheimnis der Bosheit des Stifters des
Illuminatenordens" hervortrat, 1788 einen dreibändigen "Anti-Kant"
publizierte, 1790 zum geistlichen und Zensur-Rat in München ernannt wurde und
endlich 1791 das Pamphlet "Unsinn der französischen Freyheitsphilosophic
im Entwurf ihrer neuen Konstitution zur Warnung und Belehrung deutscher französelnder
Philosophen ins helle Licht gerückt" veröffentlichte, illustriert
den engen Konnex von deutscher Gegenaufklarung und Konterrevolution. Tatsachlich
ist die Revolution 1789 nicht in Deutschland, wo sie Freimaurern und Illuminaten
bereits vor dcm Bastille-Sturm in freilich recht vager Weise als finstere Absicht
unterstellt wurde, sondern vielmehr in Frankreich ausgebrochen.
Als sich dort der später zum Cheftheoretiker der Verschwörungsthese gewordene
Abbé Barruel 1789 darum bemühte, in seiner Schrift "Le patriote
veridique" die "vraies causes de la révolution actuelle" zu
ergründen, erwähnte er bezeichnenderweise die Freimaurer noch mit keinem
Wort! Auch der Comte de Ferrand, der 1790 die Enthüllungsschrift "Les
conspirateurs demasqués" publizierte, wußte noch nichts von einer
Verschwörung im spezifischen Sinn und schon gar nichts von einer freimaurerischen.
Vielmehr beschränkte er sich darauf, Männer wie den Herzog von Orleans,
Lafayette, Necker und den Abbe Sieyes als Konspiratoren zu denunzieren.
Die 1789 zu Paris erfolgte Publikation des "Essai sur la secte des Illuminés"
durch den Marquis de Luchet, den Bibliothekar und Günstling des Landgrafen
von Hessen-Kassel, hat also ganz offensichtlich bis zu diesem Zeitpunkt in Frankreich
niemanden veranlaßt, den Ausbruch der Französischen Revolution in einen
Kausalzusammenhang mit den deutschen Illuminaten zu bringen. Immerhin hatte Luchet
in seinem Essai dem Illuminatenorden nachgesagt: "Cette société
a le but de gouverner le monde, de s'approprier l'autorité des Souverains,
d'usurper leur place en ne leur laissant que le sterile honneur de porter la Couronne".(43)
Die in Frankreich durch Luchet bekannt gewordene Tatsache, daß "Germanien
. . . in seinem Schoße eine ansehnliche Sekte, die unter dem Namen Illuminaten
bekannt ist"(44) berge, hat allerdings dank der
Sympathien insbesondere vieler deutscher Gebildeter für die Französische
Revolution bei den deutschen Repräsentanten des Ancien Régime sehr bald
die Befürchtung wachgerufen, daß es zu einem Zusammenspiel französischer
Revolutionäre mit ihren radikalaufklärerisch-illuminatischen deutschen
Sympathisanten kommen könne. So hat der preußische Gesandte in Paris
am 22. Januar 1790 die Vermutung ausgesprochen, daß die revolutionäre
französische Propaganda im Ausland durch die Freimaurer begünstigt werde.(45) Wenig später beschäftigte sich die antirevolutionäre
deutsche Publizistik intensiv mit der angeblich aus Paris stammenden, tatsächlich
jedoch von einem emigrierten französischen Grafen fabrizierten(46) und anonym veroffentlichten Schrift: "Denonciation à
toutes les puissance de l'Europe d'un plan de conjuration contre la tranquillité
générale, suivie d'un discours prononcé au Club de Propagande".
Diese wurde erstmals in der Juli-Ausgabe 1790 des Fuldaer Journal von undfür
Deutschland(47) unter dem Titel "Bekanntmachung
eines Verschwörungsplanes gegen die allgemeine Ruhe in Europa" auf deutsch
publiziert.
In der Oktoberausgabe 1790 des in engen Beziehungen zu französischen Emigranten
stehenden Hamburger "Politischen Journals" heißt es über den
ominösen, nichtexistenten "Club de Propagande", er komme "alle
Wochen zweimal nach Art und Weise der Freimaurer zusammen . .. Das Innere ist mit
einem freimaurerischen Schleier bedeckt. Die Absicht ist bekannt; sie ist, die Revolution
nach und nach durch ganz Europa zu verbreiten".(48)
In der Beilage zu den Neuwieder Politischen Gesprächen der Todten vom 24 9.
1790 wurde ein "Schreiben aus Paris vom 18.7.1790" mit korrespondierendem
Inhalt publiziert: "Es ist eine Gesellschaft hier, die aus 600 Personen besteht,
und die alle Woche zweymal nach Illuminatenart heimlich zusammenkommt. Diese Gesellschaft
nennt sich Propaganda ... Ihr Endtzweck ist keine Friedenspropaganda wie zu Rom,
sondern eine Revolutio propaganda. Sie hält in allen Ländern ihre Korrespondenten
und Emissarien . . ."
Ende 1789 wurde Alexander Graf Cagliostro, alias Ginseppe Balsamo, von der päpstlichen
Inquisition festgenommen. Die Verhaftung dieses u.a. auch als Gründer einer
"ägyptischen Freimaurerei" hervorgetretenen notorischen Abenteurers
ist insbesondere von kirchlichen Kreisen benutzt worden, um Verschwörungstheoreme
glaubwürdig zu machen. (49) So berichtete der
französische Gesandte an der Kurie am 6.Januar 1790: "On arrête
Cagliostro; on recherche s'il n'est pas le chef de cette secte d'lllumines qui commence
ici à inquieter de gouvernement. Cette même secte fait grand progrès
en Allemagne ... sème universellement l'esprit d'insurrection et de révolte
contre l'ancienne autorité des gouvernements"(50)
Dieses kurz darauf auch in der europaischen Presse verbreitete Gerücht hat
ein polnischer Rosenkreutzer am 12.Januar 1790 in einem Brief an den Exjesuiten
und Sekretär des polnischen Königs Abbe Albertrandi in der Weise weiter
ausgesponnen, daß er behauptete, laut den Aussagen Cagliostros hätten
die französischen Freimaurer unter Führung ihres Großmeisters, des
Herzogs von Orleans, den Sturm auf die Bastille organisiert und ausgeführt.(51) Darüber hinaus unterstellte das Politische
Journal wenig später: "Man will wissen, er (Cagliostro) sey das geheime
Oberhaupt der Illuminaten-Sekte. Er und diese Sekte haben an vielen Dingen in Frankreich,
und anderen, die so in anderen Ländern vorgehen, Schuld".(52)
In seiner 1790 in Gotha anonym publizierten Schrift: "Ist Cagliostro der Chef
der Illuminaten" setzte sich der Freimaurer und Illuminat Johann Bode mit derartig
absurden Behauptungen sarkastisch auseinander. Tatsächlich hat sich die Kurie
von den von Cagliostro in Todesnot abgegebenen und uberdies noch frisierten Geständnissen
Einiges versprochen. Denn ihnen wurde durch die 1791 von der päpstlichen Kammerdruckerei
veranstaltete und anschließend aus dem Italienischen ins Deutsche, Französische,
Englische und Polnische übersetzte Publikation: "Leben und Thaten des
Joseph Balsamo, sogenannten Grafen Cagliostro ... Aus den Akten des 1790 in Rom
wider ihn geführten Prozesses gehoben" eine europäische Publizität
zuteil. Im Vorwort zu der in Zürich veranstalteten deutschen Ausgabe wird den
"Freymaurerrotten" vorgeworfen, sie suchten das "Joch der Subordination
und des Gehorsams" abzuschütteln und die "ganze Welt in Aufruhr und
Tumult" zu setzen. Die Freimaurer, die "schallende Töne von Menschheit,
Ökonomie, bürgerlicher Freiheit, gereinigter Moral" im Münde
führten, würden Verbrechen rechtfertigen, Bürgerblut vergießen,
durch Vernichtung der Eigenthumsrechte zu stehlen und endlich die "Ordnung
der Stände ... vernichten, welche das festeste Band der Gesellschaft ist".(53)
Nachdem die Burkeschen Reflections on the Revolution in France die Warnungen vor
einem Erdheben, welches ganz Europa bedrohe, 1790 mit einem Hinweis auf die 1787
publizierten "Originalschriften des Illuminatenordens" untermauert hatten,
veröffentlichte der Abbé Le Franc 1791 seine anschließend auch
ins Englische, Italienische und Portugiesische übersetzte Schrift: Le voile
levé pour les curieux ou le secret de la révolution relévé
a l'aide de la franc-maçonnerie. Darin heißt es apodiktisch: "La
franc-maçonnerie veut renverser le Trône comme elle a renversé
l'Autel", wobei dem revolutionären Regime nachgesagt wird: "Le régime
même de l'assemblée est taut-à-fait maçonnique."(54) Im übrigen erging sich der Abbé Le Franc
in geschichtsphilosophischen bzw. -theologischen Betrachtungen, in denen ein direkter
Zusammenhang von moderner Philosophie, häretischem Protestantismus und Freimaurerei
postuliert wird.
Wie hier nicht in extenso expliziert werden kann, spielte die antifreimaurerische
Verschwörungsthese seit 1791 in Deutschland sowohl im diplomatischen Schriftverkehr
als auch in der konterrevolutionären Publizistik eine wichtige Rolle. Bei ihrer
Propagierung hat sich besonders der Wiener Professor und Publizist Leopold Alois
Hoffmann, der sich dabei der von ihm herausgegebenen Wiener Zeitschrift (1792-1793)
bediente (55), hervorgetan. Die Tatsache, daß
Hoffmann - wie ührigens auch der Abbé Barruel - vor 1789 selbst Freimaurer
gewesen ist, verweist dabei auf einen oft übersehenen und für die Beurteilung
der Freimaurerei und auch der Verschwörungsthese grundlegenden Sachverhalt:
Die Freimaurer des 18. Jahrhunderts sowie auch die Illuminaten man denke nur an
den Illuminaten Maximilian Graf Montgelas - waren in ihrer überwältigenden
Mehrheit keine Republikaner und somit revolutionäre Feinde von "Thron
und Altar". Vielmehr waren sie meist - besonders in katholischen Ländern
- antiklerikal orientierte Anhänger des aufgeklärten Absolutismus. Folglich
läßt sich das Wort Holldacks über die Physiokraten, welche gleichfalls
der verschwörerischen "Sekte" zugerechnet werden tendenziell auch
auf sie anwenden: "Die Physiokraten predigten nicht die Revolution gegen die
absolute Monarchie, sondern die Revolution durch die absolute Monarchie".(56)
Bei der Agitation der Wiener Zeitschrift gegen die Freimaurer, welche von dem Wiener
Magazin fur Kunst und Literatur (1793-1797) in moderaterer Form fortgesetzt wurde,
fällt auf, daß die Verschwörungstheoreme ihrer ursprünglich
christlichen Vorzeichen weitgehend entkleidet und zu einem politisch-innerweltlichen
Kampfinstrument transformiert werden. Zu diesem Zwecke wurde zwischen der evidentermaßen
harmlosen "blauen" Loge, d. h. der nach dem ursprünglichen englischen
System arbeitenden und lediglich den Lehrlings-, Gesellen- und Meistergrad kennenden
Johannismaurerei, und der staatsfeindlichen "roten" Loge unterschieden.
Diese würden sich verschwören "zur Vertilgung aller Könige,
zur Herstellung der Gleichheit der Stände und sogar der Gesellschaft der Güter".(57) Ganz offenbar wird damit an die Interessen des (Besitz-)Bürgertums
appelliert, wclches an sich nicht unbedingt auf "Thron und Altar" bzw.
Klerus und Adel fixiert war.(58) Dies ist auch daraus
zu schließen, daß der Illuminatismus als "leiblicher Bruder des
Jakobinismus" denunziert wurde(59) und die Wiener
Zeitschrift gar behauptet hat: "Ein Jakobiner ist nicht mehr und nicht weniger
als ein praktischer Illuminat nach dem im Baierlande gebohrenen, und dort und anderwärts
großgezogenen Weishaupt-Kniggeschen Illuminaten-Sistem".(60) Das Bindeglied zwischen Illuminaten und Französischer Revolution
stellte nach ihr die Paris-Reise der Illuminaten Johann Bode und Wilhelm von dem
Busche von 1787 dar. Diese hätten die französischen Logen "mit dem
Illuminatismus imprägniert" und "ohne diesen letzten und kräftigsten
Stoß" wäre die Revolution schwerlich ausgebrochen. Zusammenfassend
heißt es dann pathetisch: "Nicht die Franzosen sind die Erfinder dieses
großen Entwurfes, die Welt umzukehren; diese Ehre kommt den Deutschen zu.
Den Franzosen gebührt die Ehre, daß sie mit der Ausführung den Anfang
gemacht . . . Aus dem in Deutschland entstandenen, und noch ganz und gar nicht verloschenen,
sondern nur verborgen und desto gefahrlicher sein Wesen treibenden Illuminatismus,
sind diese Comités politiques entstanden, die dem Jakobinerclub sein Dasein
gegeben".(61)
Diese spezifisch deutsche Version der Verschwörerthese, welche in eine Vielzahl
von Flugschriften Eingang gehalten hat, ist von der konspirativ arbeitenden "Gesellschaft
patriotischer Gelehrter" propagiert worden, der fast alle namhaften antirevolutionären
deutschen Publizisten wie besonders Adolf Christian von Grolmann, Ernst August von
Goechhausen, Heinrich Koester und H. O. Reichhard angehörten und die vom Landgrafen
von Hessen-Kassel und vom Markgrafen Karl Friedrich von Baden protegiert wurde.(62) Dank der finanziellen Zuwendungen dieser beiden
Fürsten konnte die Eudämonia oder deutsches Volksglück. Ein Jornal
für Freunde der Wahrheit und des Rechts von 1795 bis 1798 - anonym! - erscheinen.
Dieses Blatt suchte der "jakobinisierten Stimmung der öffentlichen Meinung"
entgegenzutreten und verkündete: Die Stifter des Illuminatenordens seien es
gewesen, welche "das Ungeheuer der Französischen Revolution zur Welt gebracht,
auferzogen, genährt und stark gemacht haben, daß es eine große
Menge von Menschen in seine Klauen fassen und den ührigen fürchterlich
werden konnte".(63)
Die beiden letzten der vier Bände der Barruelschen Denkzwürdigkeiten zur
Geschichte des Jakobinismus gehen ganz entscheidend auf die Aktivitäten der
"Eudämonisten" zurück. Dem im englischen Exil von Edmund Burke
protegierten Abbe Barruel, welcher sich nach dem Verbot des Jesuitenordens lange
in Böhmen und Wien aufgehalten und dort deutsch gelernt hat, ist nämlich
nach Erscheinen des Frankreich gewidmeten ersten Bandes der Denkwürdigkeiten
von den deutschen Eudamonisten Johann August Starck und Adolf Christian von Grolmann
(von denen der erstere ein hessischer Konsistorialdirektor und der zweite Darmstädter
Oberhofprediger und Generalsuperintendent war), eine Kollektion einschlägiger
deutscher antiilluminatischer und antirevolutionär-antifreimaurerischer Pamphletliteratur
übersandt worden.(64) Dieser Vorgang erklärt
die bemerkenswerte Tatsache, daß die beiden letzten Bände des Barruelschen
Werkes praktisch eine um umfangreiche Warnungen und Kommentare angereicherte Kompilation
sowohl der Schriften der Illuminaten als auch ihrer Gegner darstellen, die sich
bei ihrer Bekämpfung von Illu minatismus und Jakobinismus gern antifreimaurerischer
Verschwörungstheoreme bedienten.
Eine weitere Synthese hat die Verschwörungsthese 1797 in dem Buch Proofs of
a conspiracy against all the religions and governments of Europe, carried on in
the secret meetings of free masons, illuminati und reading societies des Edinburgher
Professors John Robison gcfunden. Es ist ins Franzosische, Deutsche und Niederländische
übersetzt worden und verrat eine intime Kenntnis insbesondere auch der deutschen
antifreimaurerischen Pamphletliteratur. Inhaltlich verfügt diese Schrift uber
keine sonderliche Originalität, von der Barruelschen unterscheidet sie sich
dadurch, daß sie von einem dezidiert protestantischen Standpunkt aus verfaßt
ist und somit die katholischen Prämissen des Exjesuiten nicht teilt.
Als Ergebnis einer Analyse der Entstehungsgeschichte der Verschwörungsthese
ist festzustellen, daß sie zwar überwiegend in Deutschland entwickelt
worden ist, ja dort bereits vor 1789 präformiert wurde, daß jedoch ihre
synthetische Zusammenfassung und weltweite Verbreitung durch einen Franzosen und
einen Briten bewerkstelligt wurde. Im Übrigen ist hier nachzutragen, daß
Johann August Starck die Verschworungsthese in seinem erstmals I803 publizierten
Triumph der Philosophie im Achtzehnten Jahrhundert auf eine zwar effektvollc, jedoch
nicht originelle Weise und zwar unter Verzicht auf Drahtziehertheorien im engeren
Sinne, neu formuliert hat. Immerhin war auch Starck der Meinung, die deutschen llluminaten
hätten die französischen Logen "zu Verschwörungsspelunken gegen
Thron und Altar umgeschaffen".(65) Weiter ist
hier darauf zu verweisen, daß Karl Ludwig von Haller, einstmals Mitarbeiter
der Wiener Zeitschrift, 1820 in seiner Restauration der Staats-Wissenschaft der
Verschwörungsthese eine zentrale Rolle zuweist. So behauptet er eingangs unter
Berufung auf hier behandelte Schriften, das Studium "des Getriebes der geheimen
Gesellschaften" habe ihm Aufschluß über die planmäßige
Verbreitung und den unglaublichen Einfluß der herrschenden irreligiösen
und revolutionären Prinzipien" erteilt Gleichzeitig distanzierte er sich
freilich von einer Drahtzieher theorie im engeren Sinne, Schriftsteller wie der
von ihm sonst hochgelobte Barruel oder auch Starck würden nämlich dem
"bösen Willen ... zu viel, dem Irrtum zu wenig zuschreiben".(66)
Die in direkter Reaktion auf die Französische Revolution voll ausgebildete
und zu einem geschichtsphilosophischen System überhöhte Verschwörerthese
ist im 19. und 20. Jahrhundert keineswegs nur von politischen Sektierern, sondern
vielmehr auch von gesellschaftlich relevanten Gruppen intensiv als politisch-ideologisches
Kampf- und Propagandainstrument eingesetzt worden. Zu diesem Zweck mußte sie
jeweils an die veränderten Konstellationen adaptiert werden. Diese ständig
notwendige Aktualisierung hat nicht zuletzt auch eine Säkularisierung der Verschwörerthese
bedingt; denn ohne ihre Verweltlichung hätte sie keine Propagandawaffe des
modernen Rechtsradikalismus bzw. Faschismus werden können.(67)
Dieser klerikale Ursprung der Verschwörungsthese ist wohl nicht ganz zufällig
derart unbeachtet geblieben, daß die bemerkenswerte Tatsache nicht aufgedeckt
wurde, daß Alfred Rosenberg 1922 in seinem Pamphlet Das Verbrechen der Freimaurerei
zustimmend ganze Passagen aus der hier behandelten kirchlichen Pamphletliteratur-
angefangen bei dem seinerseits auf seinem Ordens Eruder Barruel fußenden Jesuitenpater
Pachtler - abgedruckt hat!(68) So sehr man sich auch
im Positiven, d.h. den Zielvorstellungen, voneinander unterscheiden mochte, so hatte
man doch unter gemeinsamen antimodernistischen Vorzeichen sowie dem Zwang Bundesgenossen
zu finden, die gleichen Gegner: Philosophen (Auflklärer), Freimaurer, Juden,
Republikaner, Liberale, Sozialisten sowie schließlich Kommunisten und Bolschewisten.
In diesem Zusammenhang fällt auf, daß die französische Direktorialregierung
bereits 1798 die Verschwörerthese für sich einzusetzen suchte, (69) und daß der den revolutionären Idealen abtrünnig
gewordene und daher von den Republikanern bekämpfte Napoleon nach Abschluß
seines Konkordates mit der Kurie vom 16. Juli 1801 dem im englischen Exil lebendenden
Abbe Barruel die Rückkehr nach Frankreich erlaubte, wo er zum Kanonikus an
der Notre Dame ernannt wurde. Hier konnte er 1802 erstmals in Frankreich seine Memoires
pour servir a l'histoire du Jacobinisme veröffentlichen. Wenngleich also der
1804 in der Notre Dame zum Kaiser der Franzosen gekrönte Napoleon einen "antiilluminatischen"
Kurs steuerte und sowohl mit der Kirche als auch dem alten Adel Frieden zu schließen
suchte, so hinderte dies selbstverständlich deutsche Traditionalisten nicht
daran, die von Napoleon durchgeführte revolutionäre Beseitigung des "Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation" als Konsequenz des "lang ent
worfenen Plans des Illuminatismus" zu interpretieren.(70)
Besondere Beachtung verdient ein von antinapoleonischen Kräften in der politischen
Polizei unter Fouché fabriziertes und anschließend in ganz Europa verbreitetes
Schriftstück, welches durch die emanzipatorische Judenpolitik Bonapartes provoziert
worden ist. Sein anonymer Verfasser "Simonini" beglückwünschte
zunächst Barruel zu seinen Memoires und bemängelte anschließend,
daß er bei der Entlarvung der "Sekten" die judische nicht berücksichtigt
habe. Sie bilde nämlich zusammen mit den Freimaurern, Illuminaten und Jakobinern
eine "puissance formidable", deren Ziel die Auslöschung des Christentums
und die Errichtung einer jüdischen Weltherrschaft sei. Tatsächlich seien
sowohl die Freimaurerei als auch der Illuminatenorden durch "zwei Juden"
begründet worden.(71)
Der deutsche Herausgeber der Barruelschen Denkwürdigkeiten hat 1800 bereits
vom "Judentum der Maurer oder der Freimaurerei der Juden"(72) gesprochen und damit gleich dem mysteriösen Simonini das
spätere Axiom der Nationalsozialisten vorbereitet, welches der Gestapo-Chef
Heydrich so formuliert hat: "Die Freimaurer sind das Instrument der jüdischen
Rache".(73) Institutionellen Niederschlag hat
dieser Wahn in der Abteilung "Weltanschauliche Gegnerbekämpfung"
des Reichssicherheitshauptamtes gefunden, welches speziell fur Judentum und Freimaurerei
zuständig gewesen ist. Ihr Chef war der nationalsozialistische Freimaurerexperte
Prof. Dr. Franz Six. Dieser SS-Standartenfuhrer und Befürworter der "Endlösung
der Judenfrage" war zeitweise Vorgesetzter von Adolf Eichmann, der selbst im
Freimaurerreferat der Sicherheitsdienste (SD) der SS tätig gewesen ist.(74)
Die Tatsache, daß Freimaurer und Juden bereits am Ende des 18. Jahrhunderts
in einen später tödlich gewordenen Zusammenhang gebracht worden sind,
findet ihre Erklärung darin, daß das Toleranzprinzip praktizierende liberale
Logen nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, einzelne Juden - hierbei handelte
es sich um finanziell gutgestellte und zugleich aufgeklärt-nichtorthodoxe und
somit eine kleine Minderheit - in die nicht mehr primär kirchlich geprägte
postständische bürgerliche Gesellschaft zu integrieren.(75) Hier liegt die Wurzel der Diffamierung der Freimaurerei als
"hocherwünschte Operationsbasis" für das "Christus hassende
Judentum" durch den Jesuitenpater Pachtler von 1876. (76)
Auch in der 1816 zu Frankfurt/M. publizierten Schrift Das Judenthum in der M-y (Maurerey),
eine Warnung an alle deutschen Logen(77), in der das
Gespenst einer mit dem verbannten Napoleon im Bunde stehenden freimaurerisch-jüdischen
Weltverschwörung an die Wand gemalt wurde, sind derartige Argumentationen vorweggenommen
worden.
Das dann im europäischen Krisenjahr 18I9 auch von Pater Grivel, einem Vertrauten
Barruels, erneut bemühte Verschwörungsgespenst ist im 19. und 20. Jahrhundert
speziell von integralistischen Geistlichen, antiliberalen Royalisten und schließlich
von den ihnen vielfach zumindest aus taktisch-bündnispolitischen Gründen
nicht sehr entfernt stehenden Trommlern des modernen Rechtsradikalismus systematisch
eingesetzt worden. Von der überwiegend auf Barruel fußenden und kaum
übersehbaren Pamphletliteratur, die schließlich in den im russischen
Revolutionsjahr 1905 unter aktiver Mithilfe der zaristischen Geheimpolizei fabrizierten
Protokolle der Weisen von Zion (78) kulminiert, seien
hier drei besonders umfangreiche und ausnahmslos von Jesuiten verfaßte Elaborate
erwähnt. Dies sind: Die 1874-76 erschienenen und 1881 bereits in vierter Auflage
vorliegenden Les sociétés secrètes ou la philosophie de l'histoire
contemporaine des Paters Nicolas Deschamps, das Buch La Franc-Maçonnerie,
Synagogue de Satan des Erzbischofs Léon Meurin von 1893 sowie der Stille
Krieg gegen Thron und Altar oder das Negative der Freimaurerei Michael Pachtlers
von 1876.
Weiter ist hier darauf zu verweisen, daß Edouard Drumont 1885 in seinem Machwerk
La France Juive Adam Weishaupt für einen Juden und die Freimaurerei als Institut
der Juden ausgegeben hat(79) und endlich der Abbé
Isidore Bertrand die Freimaurerei 1903 als "secte juive" denunzierte.(80) Eine Analyse dieser Schriften, neben denen noch
das 1897 erschienene antikapitalistisch akzentuierte Buch Le peril judeo-maconnique
des Monsignore Anselme Tilloy genannt werden muß, zeitigt das Ergebnis, daß
die geschichtstheologischen Elemente der Verschwörungsthese mehr und mehr zugunsten
einer weltlich-politischen Agitation zurücktraten. So hat z. B. der Prager
Advokat Eduart Emil Eckert 1852 die absurde Behauptung aufgestellt, die deutsche
Reichsverfassung von 1848/49 sei "vom engeren Maurerbunde den reinen Social-Demokraten"
dekretiert worden.(81) Diese neue antisozialistische
Komponente der Verschwörungsthese ist von dem Jesuitenpater Pachtler nach dem
deutsch-französischen Krieg von 1870/71 aus gesponnen worden. Pachtler erklärte
damals, der von dem "Juden" Karl Marx (82)
gegründete Sozialistenbund stelle die "furchtbarste politische und religiöse
Verschwörung in der ganzen Weltgeschichte" dar.(83)
Dabei ging er davon aus, daß der "gefürchtete Arbeiterbund"
nach den "Grundsätzen der Loge" aufgebaut und eine Konsequenz des
verderblichen Liberalismus sei.(84) Pachtler teilte
die Meinung des Bischofs von Ketteler, der den Liberalismus als "jüdisch-freimaurerisch"
und als "vom Haß gegen das Christentum erfüllt" ansah.(85)
Da die Anfälligkeit für Verschwörungstheoreme jeweils in Krisenzeiten
geradezu sprunghaft zunahm, ist es verständlich, daß in Deutschland nach
Niederlage und Revolution von 1918 sowie in Reaktion auf das Versailler Diktat die
Virulenz der Verschwörerthese eine neue Qualität zu erhalten vermochte.
In seinem erstmals im März 1919 publizierten und 1923 bereits in 6. Auflage,
d. h. 54000 Exemplaren, vorliegendem Buch Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik
unternahm der Völkische Friedrich Wichtl eine Situationsanalyse nach dem Muster
der Verschwörerthese. Nach der Lektüre dieses Pamphlets machte der neunzehnjährige
Heinrich Himmler, welcher 1937 gegen den "internationalen jüdisch-freimaurerisch
geführten Bolschewismus"(86) polemisierte,
den folgenden Eintrag in sein Tagebuch: "Ein Buch, das über alles aufklärt
und uns sagt, gegen wen wir zu kämpfen haben".(87)
In seiner zweiten Schrift von 1921 Freimaurerei, Zionismus, Kommunismus, Spartakismus,
Bolschewismus stellt sich Wichtls Feindbild so dar: Freimaurer und Juden hätten
sich gegen Deutschland verschworen, den Weltkrieg angezettelt und Deutschland mittels
eines freimaurerischen Diktatfriedens-Programms rniniert. Dabei ließ es sich
Wichtl nicht nehmen, eine direkte Verbindung zwischen Adam Weishaupt, der den illuminatischen
Ordensnamen "Spartacus" führte, und den Spartakisten Karl Liebknecht,
Rosa Luxemburg und dem "Juden" Axelrod zu konstruieren.(88)
Von besonderem Interesse für die Resonanz solcher Theoreme sowie für die
Bündnispolitik der Völkischen gegenüber christlichkonservativen Kreisen
ist das erstmals 1919 und 1920 in erweiterter Form (neu-) aufgelegte Buch Entente-Freimaurerei
und Weltkrieg des theosophisch-okkultistisch orientierten Schweizers Dr. Karl Heise.
Auch er rekurrierte auf die "Illuminaten-Verschwörung" des I8. Jahrhunderts
und konstatierte einen "inneren Zusammenhang von Loge, Großkapitalismus
und Bolschewismus".(89) Diesem Pamphlet, welches
der wenig später in Völkischer Beobachter umbenannte Münchener Beobachter
am 6. August 1919 positiv rezensierte, ist am 20. Juli 1919 vom Evangelischen Kirchenblatt
für Schlesien nachgesagt worden, es sei "in hohem Maße geeignet,
vieles sonst Unbegreifliche aufzuklären". Dabei enthält es z. B.
eine Darstellung, auf der Christus auf ein Hakenkreuz genagelt ist!(90)
Ihre Bündelung haben derartige bei aller Abstrusität doch ohne Mühe
auf einen politischen Kern reduzierbare Vorstellungen in den bereits mehrfach genannten
Protokollen der Weisen von Zion gefunden, welche von einer weltumspannenden jüdisch-freimaurerischen
Verschwörung handeln. Zu denjenigen, die in den Machenschaften der Weisen von
Zion "plötzlich die Deutung vieler sonst unerklärlicher Erscheinungen
der Gegenwart"(91) erkennen zu können glaubten
- wie es im Vorwort der 1923 von Alfred Rosenberg veranstalteten Ausgabe der Protokolle
heißt - gehörte neben dem Zaren und einigen Mitgliedern der Hohenzollernfamilie
auch Adolf Hitler. Er bekannte: "Ich habe mit wahrer Erschütterung die
Protokolle der Weisen von Zion gelesen. Die gefährliche Verborgenheit des Feindes,
seine Allgegenwärtigkeit". Auf die Rückfrage, ob er sich von den
Protokollen zu seinem Kampf habe anregen lassen, antwortete Hitler: "Bis ins
Detail hinein, jawohl. Ich habe aus den Protokollen enorm gelernt. Ich habe immer
sehr viel von meinen Gegnern gelernt".(92)
So richtig Rauschnings Bemerkung gewißlich ist, daß die "Walze
Jude und Freimaurer" den Nationalsozialisten dazu diente, die Masse von Problemen
abzulenken und den Kampfwillen der Anhanger wachzuhalten (93),
so wird mit dieser Funktionsbestimmung der politisch-psychologische Wirkungsmechanismus
der Verschwörungsthese nicht zureichend aufgedeckt. Wenngleich hier keine auf
die politische Psychologie und die Anthropologie verweisende Grundlagenforschung
betrieben werden kann, welche selbstverständlich auch vergleichbare "linke"
Verschwörungstheoreme zu berücksichtigen hätte (94),
so muß doch konstatiert werden, daß sowohl der Charakter der Freimaurerei
als eines leicht mystifizierbaren Geheimbundes als auch das "Körnchen
Wahrheit", welches den Verschwörungstheoremen vielfach wenngleich auch
in versteckter, verzerrter und maßlos übersteigerter Form - anhaftet
(95), konstitutive Elemente für das Entstehen
und für die Wirksamkeit der Verschwörerthese sind. So kann ja z. B. nicht
geleugnet werden, daß die Freimaurerei bei der Emanzipation der Juden eine
Rolle gespielt hat und daß es zwischen Freimaurerei und Liberalismus - besonders
auch in katholischen Ländern - intensive Querverbindungen gegeben hat. Somit
konnte den Freimaurern von den in der "ersten Linie des Kampfes gegen das demokratische
Prinzip" stehenden Christlich-Konservativen(96)
vorgeworfen werden, daß sie den Heiland verleugneten, "um mit Juden und
Türken fraternisieren" zu können.(97)
Grundvoraussetzung des ideologisch akzentuierten Verschwörungsdenkens ist also
die moralische Verabsolutierung einer gegebenen konkreten Sozialordnung und damit
ein vor- oder antiliberales Weltbild, das den sozialen Wandel dieser Ordnung und
damit die Infragestellung überkommener Erwartungshaltungen als das illegitime
und boswillige Werk dämonisierter Minderheiten diffamiert. Hierbei kommen Urängste
ins Spiel, wie ja überhaupt die vermeintliche Verschwörung durch einen
Zeit und Raum übergreifenden, vorrationalen Charakter gekennzeichnet ist.(98)
Aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist die bereits erwähnte Tatsache,
daß in die antifreimaurerischen Vorstellungen Elemente des mittelalterlichen
Hexen- und Satansglaubens eingeflossen sind, mit welchen Mächten die Juden
ja ohnehin von der christlichen Polemik in Verbindung gebracht worden sind. Ein
polnischer Historiker hat daher die Verschwörungsthese als "res gestae
Sathanae per muratores"(99) charakterisieren
können. In Anlehnung an ein Wort von Benjamin Disraeli, der als Jude für
die hier aufgezeigten Zusammenhänge besonders sensibel gewesen ist, könnte
man sich fragen, ob die in Reaktion auf die Infragestellung von "Thron und
Altar" entwickelte Verschwörungsthese nicht als "Rache der erzürnten
Tradition" verstanden werden muß, "die der Zerstörung der traditionellen
Einflüsse" folge.(100)
Die durch gemeinsame Ablehnung einer offenen und liberalen Gesellschaft konstitutierte
"feindliche Nähe" von Repräsentanten von "Thron und Altar"
und modernen Rechtsradikalen manifestiert sich dabei in Biographien wie derjenigen
des Generals Ludendorff oder des im russischen Bürgerkrieg als Propagandist
für die "Weißen" tätigen Gregor Schwartz-Bostunitsch.
Dieser Jurist, welcher Sowjet-Rußland für eine "jüdisch-freimaurerische
Erfindung"(101) erklärte, wurde später
von Heinrich Himmler zum Leiter des SS-Freimaurermuseums ernannt. Ebenfalls von
den Nazis gefördert wurde der einstmals von Zar Nikolaus protegierte einstige
Präsident des rechtsradikalen "Bundes des russischen Volkes", Nikolaus
Markow.(102) Er veröffentlichte 1935 in Erfurt
das Pamphlet Der Kampf der dunklen Mächte, worin er die gesamte antifreimaurerische
Literatur - angefangen vom Abbé Barruel- auswertete, Marx als "Jude-Freimaurer"
bezeichnete, und u. a. behauptete, der Weltkrieg sei vom "Juden-Freimaurertum"
entfesselt worden, um die Macht der christlichen Völker zu brechen. In dieser
Tradition steht der antifreimaurerisch-traditionalistische Erzbischof Lefebvre und
auch der 1975 mit dem antisemitischen Pamphlet Die antichristliche Religion der
Freimaurerei hervorgetretene und deshalb aus dem Schuldienst entfernte süddeutsche
Ordenspriester Manfred Adler.
In solchen Traditionen und Personen manifestiert sich der von Lessing 1778 so formulierte
und das Freimaurerische im spezifischen Sinn transzendierende Charakter der Maurerei:
"Die Freymaurerey ist nichts entbehrliches, sondern etwas notwendiges, das
in dem Wesen des Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet
ist"(103) Darauf, daß das Freimaurerische
in der antifreimaurerischen Agitation weithin als Chiffre für eine globale
"antimodernistische" Ablehnung der ideologischen und politisch-sozialökonomischen
Entwicklungen gedient hat, verweist im übrigen auch dieser Sachverhalt: Barruel
hat im metaphorischen Sinn von "Lastträger- und Schuhputzer-Freymaurern"
gesprochen und revolutionäre Clubs "Logen" genannt.(104) Der spanische Pater Torrubia hatte die modernen wissenschaftlichen
Akademien, die insbesondere den Naturwissenschaften eine Heimstatt gaben und - anders
als die alten Universitäten - nicht der ideologischen Kontrolle der Theologen
unterstanden, bezeichnenderweise bereits 1752 als "verkappte Freimaurerlogen"(105) diffamiert. Daß das Wort "Freimaurer"
gleich dem Wort "Jude" zu eincr Fundamentalkritik artikulierenden Schimpfbezeichnung
geworden ist, läßt sich auch wie folgt belegen: In der hier untersuchten
Polemik werden Nichtfreimaurer wie Marx und Lenin vielfach als Freimaurer(106) und Nichtjuden wie Adam Weishaupt nicht selten als Juden bezeichnet,
um diese Personen zu stigmatisieren. In wie unspezifischem Sinn der Terminus "Freimaurer"
schon seit langem verwandt worden ist, zeigt im übrigen ein Agentenbericht,
demzufolge ein Sekretär des Kardinals Consalvi den Fürsten Metternich
1815 als Freimaurer verflucht hat, weil dieser den Kardinal von Beratungen des Wiener
Kongresses ausgeschlossen hat.(107)
Wenngleich abschließend festzustellen ist, daß die Verschwörungsthese
nicht nur Verdächtigungen, sondern - besonders unter den Nationalsozialisten
- Verfolgungen der schlimmsten Art begünstigt hat, so ist andererseits doch
dies einzuräumen: Unter ihren Propagatoren und Anhängern haben sich neben
zynischen Machttechnikern auch solche befunden, welche in freilich dunkler und verzerrter
Form subjektiv ehrliche Sorgen formuliert haben. Dies ist umso mehr einzuräumen,
als kritische Vertreter des Modernismus zubilligen, daß der Fortschritt bzw.
der soziale Wandel nicht selten von gefährlichen Verirrungen begleitet wurde.
All dies hatte freilich mit Freimaurern oder gar einer freimaurerischen bzw. freimaurerisch-jüdischen
Verschwörung wenig zu tun. Demzufolge sind auch die Freimaurer mit der folgenden
Äußerung der Allgemeinen Zeitung desJudentums über die christlichen
Antisemiten des letzten Jahrhundert angesprochen: "Indem sie auf die Juden
losschlagen, glauben sie, den ganzen modernen Staat, die ganze liberale Tendenz
der Gesellschaft zu treffen".(108)
Anmerkungen
Einzelne Passagen dieses Aufsatzes sind identisch mit solchen aus des Vfs. Die These
von der Verschwörung 1776-1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und
Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung, 2. verb. Aufl., Frankfurt
a. M.-Bern 1978 (Europäische Hochschulschriften Ill, 63), sowie "Die These
von der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung 1776-1945", in:
Aus Politik und Zeitgeschichte B 25, 1977,S.30-46
1 Vgl. Wolfgang Bittner, "Die freimaurerische Antithese
heute", in: Humanität. Das deutsche Freimaurer-Magazin Nr. 2,1979,5.21-23.
Ferner: Manfred Adler, Die antichristliche Religion der Freimaurerei. 2. verb. Aufl.,
Jestetten 1975; Juan Maler, Der Sieg der Vernunft. Das Weltmodell der Freimaurerei,
Buenos Aires 1978.
2 Zit. nach Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in
Deutschland, München 1951, S. 515.
3 Projekte der Ungläubigen, o. O. (Augsburg), 1791,
S. 5
4 Ernst Nolte, Theorien uber den Faschismus, 4. Aufl.,
Köln 1976, S. 60
5 Sigurd von llsemann, Der Kaiser in Holland 11, München
1968, S. 11.
6 2. Aufl., Leipzig 1917, S.41.
7 Vgl. Hermann Rauschning, Gespräche mit Hitler,
Zürich 1940, S.224f.
8 Carl J. Burckhardt, Meine Danziger Mission 1937-1939,
München 1960, S.314.
9 Heinz Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, Güterloh
1976, S.302.
10 Vgl. Seymor Lipset u. Earl Raab, The Politics of
Unreason. Right-wing extremism in America, New York 1970, S.13.
11 Francois Furet, Penser la Revolution Francaise,
Paris 1978,S.78.
12 Vgl. Henri See, Saence et philosuphie de l'histoire,
Paris 1928, S.350
13 Karl Theodor Heigel, Deutsche Geschichte vom Tode
Friednchs des Großen bis zur Auflösung des alten Reiches, Bd. I, Stuttgart-Berlin
1899, S.318.
14 Vgl. Franz L. Neumann, Angst und Politik, Tübingen
1954, S. 7, wo die Angst als "zentrales Problem der Wissenschaft" gekennzeichnet
wird.
15 Vgl. hierzu das einen Durchbruch darstellende Buch
des belgischen Jesuiten Michael Dierickx, Freimaurerei die große Unbekannte,
Frankfurt a. M. - Hamburg 1968. Hier sei angemerkt, daß des Verfs. "These
von der Verschworung" nicht in den "Studien zur modernen Geschichte"
erscheinen konnte, weil zwei nicht einschlägig kompetente Herausgeber Vorbehalte
gegen sein Schlußkapitel: "Die Verwendung der Verschwörungsthese
durch Katholizismus und Rechtsradikalismus" hatten. Dies hat Norman Cohn am
17.7.1977 in seiner Rezension in Times Literary Supplement "disturbing and
surprising" genannt.
16 Vgl. Dienckx 1968 (s. Anm. I,), S. 12: "Sein
Werk inspirierte Generationen hindurch, bewußt oder unbewußt, zahllose
antifreimaurerische Schriftsteller".
17 Vgl. die Ubersicht über die Barruel-Ausgaben
auf S. 234 der These von der Verschwörung.
18 Augustin Barruel, Denkwürdigkeiten zur Geschichte
des Jakobinismus, Münster-Leipzig Th. 4 (1804), S. 599
19 Ebd.,Th.4, S.613.
20 Vgl. Bernard Plongeron, Theologie et politique
au siecle des lumieres (1770-1820), Genf 1973, S.11.
21 Hierzu Moritz Csaky, "Dechristianisation",
in: Formen der europäischen Aufklärung, hrsg. v. Friedrich Engel-Janosi,
München 1976, S. 13-19.
22 So Lamourette, der konstitutionelle Bischof von
Lvon. am 21. Il. 1791. Zit. nach Hans Maier, Revolution und Kirche, 2. Aufl., Freiburg/Br.
1965, S. 119.
23 S. 30.
24 Hierzu Herder-Korrespondenz 1974, H. 11. S. 599
f.
25 Zit. nach Albert Monod, De Pascal a Chateaubriand,
Paris 1916, S. 302.
26 (Larudan,) Allerneueste Geheimnisse der Freimaurer,
Th. i., o. O., 1780, S. 108.
27 Ebd., Th. z (1780), S. 39.
28 Zit. nach Reinhold Taute, Die katholische Geistlichkett
und die Freimaurerei, 3. Aufl., Berlin 1903, S. 142.
29 Zit. nach Arthur Singer, Der Kampf Roms gegen die
Freimaurerei, Leipzig 1925, S. 37.
30 Vgl. Ferdinand Runkel, Geschichte der Freimaurerei
in Deutschland, Bd. 2., Berlin 1932, S. 210 ff.
31 Hierzu Jacob Katz,Jews and Freemasons in Europe
1723-1939, Cambridge/Mass. I970.
32 G. E. Lessing, Sämtl. Werke (ed. F. Muncker),
Bd. XIII, Leipzig 1897, S. 344.
33 Hierzu Norman Cohn, Die Protokolle der Weisen von
Zion. Der Mythos von der jüdischen Weltverschwörung, Köln-Berlin
1969, S. 19 ff.
34 Vgl. neben der These von der Verschwörung,
Karl Olbrich, Die Freimaurer im deutschen Volisglauben, Breslau 1930.
35 Vgl. August Wolfstieg, Bibliographie der freimaurerischen
Literatur, Hildesheim 1964 (Reprint), Nr. 3598.
36 A. Barrnel, Bd. I, 1800 (s. Anm. 18), S. 14.
37 Ebd., Bd. 1 (1800), S. 14-16.
38 Hierzu Kap. 2.4: "Die These von der philosophischen
Conjuration" der These von der Verschwörung.
39 Zit. nach Hans Graßl, Aufbruch zur Romantik.
Bayerns Beitrag zur deutschen Geistesgeschichte 1756-l785, München 1968, S.
264.
40 Ebd., zit. 264.
41 Rom (= Leipzig) 1786, S. 431 und S. VII.
42 Zit. nach Max Geiger, Aufklärung und Erweckung,
1963, S. 233.
43 S. 46.
44 So das vom Hamburger Politischen Journal kolportierte
PariserJournal de physique 1790. Zit. nach Karl Spengler, Die publizistische Tätigkeit
des Freiherrn Adolf von Knigge während der französischen Revolution, Diss.,
Bonn 1931, S. 90.
45 Vgl. Adolf Rossberg, Freimaurer und Politik im
Zeitalter der Französischen Revolution" Berlin 194Z, Anm. 497.
46 Vgl. Josef Feldmann, Propaganda und Demokratie,
Zürich 1957, S. 52-56.
47 Bd. VII (1790), S. 3 ff.
48 Zit. nach Joseph Hansen, Quellen zur Geschichte
des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution, Bd. I., Bonn 1931,
S. 643.
49 Näheres hierzu in Kap. 3.2 "Cagliostro
als Chef der Illuminaten" der These von der Verschwörung des Verfs.
50 Zit. nach Roger Priouret, La Franc-Maconnerie sous
les Lys, Paris 1953, S. 191.
51 Zit. nach Jean Fabre, Stanislaus-Auguste Poniatowski
et l'Europe des Lumieres, Paris 1952, S. 500.
52 Zit. nach Johann Bode, Ist Cagliostro der Chef
der Illuminaten? Gotha 1790, S. 217.
53 Leben und Thaten des Joseph Balsamo, sogenannten
Grafen Cagliostro ... Aus den Acten des 1790 in Rom wider ihn geführten Prozesses
gehoben. Zürich 1791, S. VII.
54 O.O.S.62.
55 Vgl. Fnedrich Sommer, Die Wiener Zeitschrift (1792-1793),
Zeulenroda-Leipzig 1932.
56 Zit. nach Karl Otmar von Aretin (Hrsg.), Der aufgeklärte
Absolutismus, Köln 1974, S. 21.
57 Wiener Zeitschrift II (1792), S. 338.
58 Vgl. Jürgen Schlumbohm, Freiheit. Die Anfänge
der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland im Spiegel ihres Leitwortes.
Düsseldorf 1975, S. 127-132 ("Die Tendenz zum Bündnis des ,Dritten
Standes
59 Magazin für Kunst und Literatur III (1793), S. 327.
60 Wiener Zeitschrift IV (1792), S. 141.
61 Ebd., l793 H. 2, S. l56
62 Vgl. hierzu Gustav Krüger, "Die Eudämonisten",
in: HZ 143 (1931), S. 467-500; ferner: Klaus Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus
in Deutschland, Frankfurt/M.-Berlin 1973, S. 620ff.
63 Eudämonia II (1796), S. 9.
64 R. Le Forestier, Les Illumines de Baviere et la
Franc-Ma,connerie allemande, Paris 1914, S. 691.
65 Germantown (= Frankfurt), Th. 2 (1803), S. 361.
66 z. Aufl., Winterthur, Bd. I, S. XVIII und 142,
Anm. 82.
67 Wie Lipset und Raab in ihrer in Anm. 10 aufgeführten
Untersuchung nachgewiesen haben, wirkt die antifreimaurerische Verschwörungsthese
auch in den USA bis in die Gegenwart hinein.
68 Vgl. die These der Verschwörung, S. 221 f.
69 Vgl. ebd., S. 127 f.
70 So Friedrich Leopold von Stolberg, ein einstiger
Eudämonist, im Dezember 1805. Zit. nach Rossberg (Anm. 45), S. 232.
71 Zit. nach Die These von der Verschwörung,
S. 161 f.; Vgl. Cohn 1969 (s. Anm.33). S. 34 f. und S 161f Leon Polikov; Histoire
de l_ antisemitisme. De Voltaire a Wagner, Paris 1968, S. 295 f.
72 A. Barruel (s. Anm. 18), Bd. I, S. 349.
73 Zit. nach C. J. Burckhard 1960 (s. Anm. 8), S.
55
74 Zu Six s. Die These von der Verschwörung,
besonders S. 215 f.
75 Hierzu J. Katz 1970 (s. Anm. 31).
76 Michael Pachtler, Der stille Krieg gegen Thron
und Altar oder das Negative in der Freimaurerei, 2. verm. Aufl., Amberg 1876, S.
23.
77 Ihr - anonymer - Verfasser ist Johann Christian
Ehrmann.
78 Hierzu außer der in Anm. 33 aufgeführten
Arbeit von Cohn, s. Leon Poliakov, Histoire de l'Antisemitisme t. IV (L'Europe suicidaire),
Paris 1977, Kap. "La France" sowie Walter Laqueur, Deutschland und Rußland,
Berlin 1966, besonders Kap. 4 und 5.
79 Bd. 1 (Paris 1885), S. 260.
80 In seinem 1903 in Paris erschienenen Buch, La Franc-Maçonnerie.
Secre Juive.
81 In: Der Freimaurer-Orden in seiner wahren Bedeutung,
Dresden 1852, S. 367.
82 M. Pachtler, Die internationale Arbeiterverbindung,
Essen 1871, S.6.
83 Ebd., S. 77 f.
84 Ebd., S. 106.
85 So in einem Brief an Kaiser Franz Josef vom 28.
8. 1866. Zit. nach Fritz Vigener, Ketteler, München 1924, S. 493. Vgl. Walter
Friedberger, Die Geschichte der Sozialismuskritik im katholischen Deutschland zwischen
1830 und 1914, Frankfurt/M-Bern 1978.
86 Heinrich Himmler, "Wesen und Aufgabe der SS
und der Polizei", in: Der Prozeß gegen die Kriegsverbrecher vor dem internationalen
Militärgerichtshof, Bd. 29 (Nürnberg 1948), S. 229.
87 Zit. nach Josef Ackermann, Heinrich Himmler als
Ideologe, Göttingen 1970, S. 25
88 Hamburg 1921, 5. 15.
89 Hamburg 1920, S. 253.
90 Ebd., 5. 399.
91 Alfred Rosenberg, Die Protokolle der Weisen von
Zion und die jüdische Weltpolitik, München 1923, S. 5.
92 Zit. nach Rauschning 1940 (s. Anm. 7), S. 224 f.
93 Ebd.
94 Vgl. die Rezension von These von der Verschwörung
durch Laurent Theis, in: Annales. Economies, Sociétés, Civilisations,
33ø Année, No. 4, 5. 754-56.
95 Vgl. Neumann 1954 (s. Anm. 14).
96 Heinrich von Sybel, Kleine Historische Schriften,
Bd. I., 3. Aufl., Stuttgart 1880, S. 365.
97 So in dem Artikel, "Die Freimaurerei und das
evangelische Pfarramt", in: Evang. Kirchenzeitung Nr. 20 (Berlin 11.3.1854),
S. 213.
98 Vgl. Lipset/Raab 1970 (s. Anm. 10), S. 13.
99 Wladislaw Konopczynski, "Woluomularstwo a
rozbior Polski", in: Kwartalnik Historyczny 1936, S. 678.
100 Zit. nach Klemens von Klemperer, Konservative
Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München, Wien 1962,
S. 14.
101 Gregor Schwartz-Bostunitsch, Jüdischer
Imperialismus, 3. Aufl., Leipzig 1937, S. 226.
102 Zu Markow s. Laqueur 1966 (s. Anm. 78), S. 134
f.
103 G. E. Lessing, Bd 13, 1897 (s. Anm. 32), S.
344.
104 A. Barrnel, Bd. IV, 1803 (s. Anm. 18), S. 385.
Zu der Bedeutung freimaurerischer Organisationsformen für politische Gruppierungen
s. J. Rogalla v. Bieberstein",Geheime Gesellschaften als Vorläufer politischer
Parteien", in: Geheime Gesellschaften (Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung
Bd. 5), Heidelberg 1979.
105 Joseph Torrubia, Gegen das verabscheuungswürdige
Institut der Freymaurer, Würzburg 1786, S. 9.
106 Vgl. das offiziöse ABC des Nationalsozialismus
von Curt Rosten (5. Aufl. Berlin 1933), in dem es auf S. 240 heißt: "Der
geistige Schöpfer des Kommunismus ist der Jude und Freimaurer Karl Marx-Mardochay.
In seinem Werk Das Kapital, das er im Auftrage der internationalen jüdischen
Freimaurerloge vor hundert Jahren anfertigte, hat er die geistige Basis für
den Kommunismus geschaffen".
107 Vgl. August Fournier, Die Geheimpolizei auf
dem Wiener Kongreß, Wien-Leipzig 1913, S. 396.
108 Zit. nach Jacob Toury, Die politische Orientierung
der Juden in Deutschland, Tübingen 1966, S. 271.
aus: H.Reinalter (Hrg.), Freimaurer und Geheimbünde im 18.Jh. in Mitteleuropa
S. 85-111
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Most recent revision: April 07, 1998
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