"Kriegserklärungen" der Juden an Deutschland
Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 begannen an mehreren Orten gezielte
gewalttätige Ausschreitungen seitens der SA gegen jüdische Anwälte,
Ärzte und Geschäftsleute. Vielfach kam es auch schon zu Boykottaktionen
gegen jüdische Geschäfte und Warenhäuser. In Berlin und anderswo
haben die Gewaltsamkeiten auch mehrfach Juden das Leben gekostet, zahlreiche andere
sind verhaftet worden. Darüber wurde in der ausländischen Presse ausführlich
berichtet und wohl auch manches übertrieben, nicht zuletzt in anti-nationalsozialistischen
Artikeln deutscher jüdischer Emigranten. Gegen solche Berichte wandte sich
am 17. März 1933 der nationalsozialistische "Völkische Beobachter"
mit einem polemischen Artikel, der die Uberschrift trug: "Der jüdische
Krieg beginnt". In den folgenden Wochen schaukelten sich die antijüdische
Propaganda in der NS-Presse und die anti-nationalsozialistische Polemik mancher
englischer und amerikanischer Blätter gegenseitig hoch.
Am 24. März 1933 erschien die englische Boulevardzeitung "Daily Express"
mit der Schlagzeile "Judea declares War on Germany". Das Blatt brachte
darunter aber lediglich Berichte über Proteste und Androhungen von Boykottmaßnahmen
englischer und amerikanischer Juden als Gegenreaktion auf antijüdische Aktionen
der Nationalsozialisten. Von nationalsozialistischer Seite wurden diese Schlagzeile
und andere, weniger sensationelle Berichte aber gerne aufgegriffen zur Rechtfertigung
der großangelegten Boykottaktion gegen die deutschen Juden am 1. April 1933.
Der im "Völkischen Beobachter" vom 27. März 1933 groß
aufgemachte Bericht, 200 Autos mit der Aufschrift "Juda erklärt Deutschland
den Krieg" - Boykottiert deutsche Waren" seien durch London gefahren,
wurde aber nirgends bestätigt und auch nicht durch Fotos belegt. Die Vertretung
der in Großbritannien ansässigen Juden, der Jewish Board of Deputies,
erklärte vielmehr (The Times vom 27. März 1933), er wolle sich nicht in
innerdeutsche Angelegenheiten einmischen. Boykottmaßnahmen und Protestversammlungen
seien "spontane Ausbrüche der Empörung" einzelner Personen,
aber nicht vom Board organisiert.
Die antijüdischen Maßnahmen der nationalsozialistischen Führung
und die Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft steigerten sich bekanntlich
in den folgenden Jahren und gipfelten noch vor dem Krieg im barbarischen Pogrom
der "Reichskristallnacht" vom 8./9. November 1938.
Angesichts dieser aller Welt offenbaren judenfeindlichen Haltung des Hitler-Regimes
ist es nicht verwunderlich, daß der Präsident des Zionistischen Weltkongresses
und Leiter der Jewish Agency for Palestine, Dr. Chaim Weizmann, im Hinblick auf
den abzusehenden Krieg Ende August 1939 dem britischen Premierminister mitteilte,
daß die Juden im Konfliktfall an der Seite Großbritanniens und der anderen
Demokratien stehen würden. Weizmanns Brief an Neville Chamberlain vom 29. August
1939 hat folgenden Wortlaut (er wurde mit der Antwort Chamberlains am 6. September
1939 in der "Times" veröffentlicht):
"Sehr geehrter Herr Premierminister,
In dieser Stunde der äußersten Krise drängt mich das Bewußtsein,
daß die Juden zur Verteidigung der geheiligten Werte einen Beitrag zu leisten
haben, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Ich möchte auf das ausdrücklichste
die Erklärung bekräftigen, die ich und meine Mitarbeiter während
der letzten Monate und besonders in der letzten Woche abgegeben haben: daß
die Juden bei Großbritannien stehen und an der Seite der Demokratien kämpfen
werden.
Es ist unser dringender Wunsch, diesen Erklärungen Wirkung zu geben. Wir möchten
dies in einer Weise tun, die ganz mit den britischen Aktionsplänen übereinstimmt
und uns deshalb, in kleinen wie in großen Dingen, unter die koordinierende
Führung der Regierung seiner Majestät stellen. Die Jewish Agency ist bereit,
sich an sofortigen Vorbereitungen für die Nutzung jüdischer Arbeitskräfte,
technischer Fähigkeiten, Hilfsmittel usw. zu beteiligen.
Die Jewish Agency hat in letzter Zeit mit der Mandatsmacht im politischen Bereich
Auseinandersetzungen gehabt. Wir würden es gerne sehen, wenn diese Meinungsverschiedenheiten
zurücktreten könnten angesichts der derzeitigen größeren und
dringenderen Erfordernisse. Wir möchten Sie bitten, diese Erklärung in
dem Geiste anzunehmen, in dem sie gemacht wurde.
Ich bin, sehr geehrter Herr Premierminister, Ihr ergebener Ch. W."
Weizmann bekräftigte mit diesem Brief eine Erklärung, die der 25. Zionistenkongreß
in Genf (16.-25. August 1939) verabschiedet hatte und die besagt, daß die
zionistische Organisation ungeachtet aller Zerwürfnisse mit der britischen
Regierung als Mandatsmacht über Palästina in diesen Krisenzeiten zu Großbritannien
stehen und auf der Seite der Demokratien kämpfen werde. Seitens der Jewish
Agency for Palestine wurde wenige Tage später, nachdem der Krieg von Hitler
tatsächlich ausgelöst worden war und Großbritannien seinen Verpflichtungen
gemäß in den Krieg eingetreten war, die Parole ausgegeben: "Dieser
Krieg ist auch unser Krieg".
Chaim Weizmann konnte in seinem Brief an Chamberlain natürlich nur im Namen
der Organisation sprechen, die er vertrat. Die Zionistische Weltorganisation umfaßte
im Jahre 1939 etwas über eine Million Juden (nur wenig mehr als 6 Prozent der
gesamten jüdischen Bevölkerung auf der Welt) und nur einen Bruchteil der
damals noch in Deutschland lebenden Glaubensjuden. Es ist also absurd zu behaupten,
die Juden hätten Hitler 1939 den Krieg erklärt, wie dies seitens der nationalsozialistischen
Propaganda und später von rechtsextremistischen Kreisen zur Rechtfertigung
der Judenvernichtung im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich geschehen ist.
Eine "Kriegserklärung" kann auch nur die Regierung eines Staates
abgeben und nicht eine privatrechtliche Organisation.
Im übrigen hatte Hitler selbst in einer Reichstagsrede am 30. Januar 1939 (also
schon sieben Monate vor Beginn des Krieges) die Vernichtung der Juden Europas angekündigt.
Er sagte wörtlich (Völkischer Beobachter. Münchner Ausgabe, 31. Januar
1939): "Und eines möchte ich an diesem vielleicht nicht nur für uns
Deutsche denkwürdigen Tage nun aussprechen: Ich bin in meinem Leben sehr oft
Prophet gewesen und wurde meistens ausgelacht. In der Zeit meines Kampfes um die
Macht war es in erster Linie das jüdische Volk, das nur mit Gelächter
meine Prophezeiungen hinnahm, ich würde einmal in Deutschland die Führung
des Staates und damit des ganzen Volkes ubernehmen und dann unter vielen anderen
auch das jüdische Problem zur Lösung bringen. Ich glaube, daß dieses
damalige schallende Gelächter dem Judentum in Deutschland unterdes wohl schon
in der Kehle erstickt ist.
Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum
in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen
Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der
Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen
Rasse in Europa."
Man kann also wohl eher sagen, Hitler habe den Juden den Krieg erklärt und
nicht umgekehrt.
Hellmuth Auerbach
Literatur: Avraham Barkai, Vom Boykott zur "Entjudung". Der wirtschaftliche
Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933-1943. Frankfurt a.M. 1987; Cristopher
Sykes, Kreuzwege nach Israel. Die Vorgeschichte des jüdischen Staates. München
1967 aus: Wolfgang Benz (Hrg.), Legenden Lügen Vorurteile
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Most recent revision: April 07, 1998
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