Nach 1945 hat der Nazismus in Deutschland weniger in politischer
Form organisiert überlebt als im state of mind der Bevölkerung. Die
neumodische Variante ist der ökologisch-tierliebende
Gemütsfaschismus, die als Tierliebe getarnte Mordlust, die unter
dem Namen einer Kritik eines "Spezieismus" das Gedankengut Richard
Wagners und Hitlers wiederbelebt. Uli Krug hat diesem Sachverhalt
einen Artikel geschrieben, den ich nicht vorenthalten
möchte.
Böse Juden, liebes Vieh
Was hat Tierliebe mit Menschenhaß zu tun, und wie hängen
Tierrechts-Debatte und Euthanasie-Diskussion zusammen? Eine Polemik
Die hierzulande nur allzu gern ausgestellte, exaltierte Tierliebe ist
keineswegs ein Zeichen für ein besonders empfindsames Gemüt, das mit
der malträtierten Kreatur mitlitte, weil es auch in dessen Leid die
allgegenwärtige Degradierung alles Lebendigen zum schieren Material
des Warentauschs aufspürte. Ganz im Gegenteil gehört diese Tierliebe,
die sich in deutschen Sprichwörtern, denen zufolge Tiere doch die
besseren Menschen seien, mitteilt, zu den Grundzügen der autoritären
Persönlichkeit und ihres "Zwangs-, Neid- oder Strafsyndroms" (Pohrt)
- wie der Schäferhund zum Führer.
Mit einer prominenten Ahnenreihe, die den militanten
Vivisektionsgegner Richard Wagner ebenso einschließt wie die
Biodynamiker Rudolf Steiner und Heinrich Himmler, teilt das tierliebe
Massenbewußtsein der BRD in den 90er Jahren ein und dasselbe
Ressentiment - ein Ressentiment, das sich im Namen der Natur, sprich
eines naturgemäßen Lebens, gegen die verderbte, naturferne,
abendländische Zivilisation aufzulehnen meint. Was diesem Bewußtsein
als unverrückbare Naturgesetzlichkeit vorkommt, der die menschliche
Gesellschaft sich wieder zu unterwerfen habe, ist in Wahrheit aber
das gesellschaftliche Zwangsverhältnis selber. Dieser Zwang, der den
ihm Unterworfenen das Uberleben nur als realisierte Ware Arbeitskraft
gestattet, wird zur unhinterfragbaren Naturnotwendigkeit, zum ewigen
Kampf ums Dasein, fetischisiert. Das Bild des Tieres in der
gesellschaftlichen Mythologie veränderte sich in diesem Prozeß
radikal.
Horkheimer und Adorno haben das sehr eindringlich in der Dialektik
der Aufklärung beschrieben: Früheren Kulturen erschien es stets als
"Verdammnis ..., in einen Tierleib gebannt zu sein": Das Tier
verkörperte dabei das Leid, aus dem kein Weg führt, "das Dasein ohne
Licht der Vernunft", denn "die Welt des Tieres ist begriffslos" und
damit "aufs vital Vorgezeichnete beschränkt". Gegen diese
Beschränkung lehnte sich ursprünglich menschliche Vernunft auf, deren
Wesen darin besteht, Bewußtsein von der Veränderlichkeit des vital
Vorgezeichneten entwickeln zu können, um die Naturverfallenheit des
Menschen zu lindern, wenn nicht aufzuheben. Doch schon in der Rede
der frühen Aufklärung davon, daß der Mensch der Wolf des Menschen
sei, verschiebt sich das Bild vom Tier: Der Vernunft, die sich allein
in den Dienst des Warentauschs stellt, wird das Tier zur negativen
Utopie. Seiner vorgezeichneten Natur unterworfen, bildet es nun das
Role-model für das blinde Unterworfensein unter den Umschlag der
Waren, der alles und jeden zum Material für seinen vernunftlosen
Selbstzweck macht. Dieser Selbstzweck allein bestimmt, wer jagt und
wer gejagt wird, wer lebt und wer stirbt: So wird "die ganze
ausgetüftelte Maschinerie moderner Industriegesellschaften bloß
Natur, die sich zerfleischt" (Horkheimer/Adorno). Je mehr sich der
gesellschaftliche Schrecken der universalen Konkurrenz aller gegen
alle dem archaischen Schrecken des "survival of the fittest"
anähnelt, desto höher steigt die Natur und ihre Verkörperung im Tier
in der Achtung der Ideologen. "Unschuldig" und seiner "natürlichen
Bestimmung" angepaßt, exekutiert es seit Jahrmillionen die Ausmerzung
der Schwachen und Uberflüssigen: "Voraussetzung der Tier-, Natur und
Kinderfrommheit des Faschisten ist der Wille zur Verfolgung"
(Horkheimer/Adorno).
Wen wundert es da, daß in W.Pohrts Untersuchung über das
Massenbewußtsein in der BRD (Der Weg zur inneren Einheit, Hamburg
1991) der Satz, daß Tierquälerei strenger bestraft werden sollte, von
den Befragten nicht nur über alle sozialen und kulturellen
Unterschiede hinweg allgemein geteilt wurde, sondern auch am höchsten
mit dem Satz korrelierte, demzufolge der "Zuwandererstrom" aufhören
müsse. Nicht zuletzt hat sich eine ökopazifistische "Linke", die mit
Vorliebe auf das hörte, was die Bäume ihr flüsterten, um die
neuerliche Salonfähigkeit dieser - im wahrsten Sinne des Wortes -
bestialischen Reflexe fetischistischen Bewußtseins verdient gemacht
(so räsonierte beispielsweise bereits in KONKRET 10/88 ein Autor, von
dem noch zu sprechen sein wird, angesichts von Robbenbabys und
Pandabären über die "Notwendigkeit des sanften Verschwindens der
Menschen von der Erde"): Der sich lange Zeit "links" gebende
Geisteszustand, der die Kritik der Politischen Ökonomie zugunsten
sogenannter Ökologie verabschiedete, der sich auf Kirchentagen und
Ökocamps dem völkischen Erlösungsschmachten anschloß, und der die
urdeutsche Lebensreform von Monteverita über Birkenstock bis zur
Steinerschule wieder ausgrub, entdeckt folgerichtig in Zeiten, in
denen der Weltmarkt in zuvor ungekanntem Ausmaß nicht mehr
verwertbare Menschen ausstößt, sein Herz für Tiere.
Nicht mehr nur in einschlägigen Tierrechtscafes und im autonomen
Blättchenwald jedoch treiben Veganer und Tierrechtler ihr Unwesen.
Das liberale Feuilleton öffnet bereitwillig seine Pforten
notorischen, zum Tierrecht sich bekennenden Betroffenheitsschreibern.
Nicht fehlen darf dabei natürlich der Prototyp des sanftmütigen
Dissidenzkatholiken, Eugen Drewermann. Sein "Plädoyer für eine neue
Ethik, die den Menschen nicht zum Maß aller Dinge erhebt" ("Zeit",
2.8.96), kämpft auf zwei Ebenen gegen die Auflklärung an:
"Ökologisch" gegen "die Isolation des Menschen von der ihn umgebenden
Natur" und "psychologisch" gegen "die Isolation der Vernunft vom
GePühl". Ein Programm also, das mit professionell sanfter Rhetorik
fordert, menschliche Gesellschaft mit der Invarianz des
Naturkreislaufs in eins zu setzen und zugleich auf die Vernunft zu
verzichten, die diese Gleichsetzung als unreflektierte
Naturalisierung der Herrschaft des Tausches über die Menschen
entlarven könnte. So sind für Drewermann "bestimmte finanzstarke
Sondergruppen der menschlichen Spezies" - früher nannte man diese
noch unverblümt "jüdische Finanzaristokratie" - am "Artenegoismus"
schuld, der dafür sorgt, daß "naturwidrig" und gegen jede
"Artgerechtigkeit" dem der Scholle verhafteten Kleinbauern und seinen
"fröhlichen Kälbern" durch Massentierhaltung die Existenzgrundlage
entzogen wird.
Den größten Beitrag zur "Umweltzerstörung" und damit zum Leid der
Tiere aber schreibt Drewermann in schlechter alter ökologischer
Tradition der "Uberbevölkerung" zu: Die Perfidie des Tierfreundes,
der nach dem Bild des nichtproduzierenden Tieres und seines im vorab
festgelegten sogenannten Nahrungsspielraumes auch das Verhältnis des
Menschen zu seinen von ihm proten Ressourcen festlegt, vermag da, wo
Unterverteilung herrscht, nur Überbevölkerung erkennen. Diese "neue
Ethik", die salbungsgsvoll - auf den Ökopaxjargon schielend - "die
Integration des Menschen in die Natur fordert", kann "im Kampf gegen
die Gefahr der Menschheit, gegen die Überbevölkerung", nur so
ausfallen: Wo 90% des Zuwachses auf die Entwicklungsländer entfallen"
und nach Drewermanns Meinung sowieso jedes "Problem des menschliichen
Daseins", wie "Krieg und Kriminaliät" oder "Familiengründung und
-aufzucht" auf das "Echo aus 250 Millionen Säugerentwicklung in den
en des Zwischenhirns in unseren Köpfen zurückführe, wäre im
"sittlichen" Recht derjenige, "der ernsthaft verlangen wollte, es
weniger Menschen geben, auf daß Schimpansen, Kattas und Warane ...
eine zum Überleben behielten".
Während Drewermann unter Verwendung von baskischer Lyrik und Albert
Schweitzer darumherumredet, daß seine Sorge ums Getier nur der
maskierten Mordlust des Marktsubjektes an allen, die ihm seine eigene
potentielle Uberflüssigkeit vor Augen führen ("Uberbevölkerung der
dritten Welt") geschuldet ist, werden andere aus dem "kritischen"
Spektrum deutlicher. Der Schriftsteller Hermann Peter Piwitt
verzichte in der "Süddeutschen Zeitung" vom 13. April 96 auf jegliche
pastorale Schleimigkeit - und auf seine eigenen
pseudo-antikapitalistischen Phrasen von 1988. Denn er war es der in
KONKRET 10/88, wie bereits erwähnt, die Menschheit verschwinden
lassen wollte und im Sozialismus "die Chance einer ökologischen
Erziehungsdiktatur" sah. Wo Drewermann betulich auf 250 Millionen
Jahre tierisches Zwischenhirn verweist, greift Piwitt ohne Zaudern in
die Kiste reaktionärer Populärwissenschaft, die mit der Bezeichnung
des Menschen als "Killeraffen" gesellschaftliche Konflikte schon
immer als ewiges und notwendiges Produkt eines natürlich-angeborenen
Aggressionstriebs erklären wollte. Und statt von den Möglichkeiten
der Warane an der Seite einer dezimierten Menschheit zu schwärmen,
läßt er seinen eliminatorischen Gelüsten gänzlich freien Lauf;
deshalb auch bringt Piwitt einen Mann ins Spiel, dessen Erwähnung
Drewermann tunlichst vermeidet - Peter Singer. Für dessen "praktische
Ethik", die versucht, "Grenzen zu bestimmen, zwischen unverzichtbarem
und verzichtbarem Leben", haut Piwitt die Faust donnernd auf den
Stammtisch: "Denn so gründlich er (Singer, U.K.) die
aristotelischjüdisch-christliche Tradition der Tierverachtung
aufdeckt und kritisiert, so moderat, so angelsächsisch-pragmatisch
ist er in seinen praktischen Konsequenzen. Er fordert nicht, was
immerhin bedenkenswert wäre: die Halbierung der Bevölkerungszahl (!)
in unseren überbevölkerten Verschwenderländern."
Hat Drewermann noch das schändliche Wirken der "finanzstarken
Sondergruppen" und die "Gefahr der Uberbevölkerung" getrennt, so
verbindet Piwitt umstandslos die beiden Hauptingredienzen der
antisemitischen Tierliebe: einerseits das Verharren im
Bewußtseinsstand eines bösartigen Kleinbauern, der noch nicht gemerkt
hat daß seit Jahrhunderten bereits ein Mehrprodukt erzielt wird und
nicht etwa konstant große Vorräte durch zu starke Vermehrung zu
schnell aufgezehrt werden, und der, statt sich beispielsweise die
Frage zu stellen, wieso die Butterberge der EG in Kühlhallen vor sich
hinranzen, lieber die halbe Menschheit umbringen möchte (1988
hätten's auch noch etwas weniger Menschenopfer getan: "Wie denn wohl
einer ... sich plötzlich mit der Entscheidung betraut sieht, entweder
die letzten Fischotter oder zehntausend Menschen zu retten. Ernst
sehe ich ihn abwägen: Was von beiden ist seltener, schutzbedürftiger,
unersetzlicher, reicher an Talenten und weniger gemeingefährlich?");
andererseits die tierethisch sich gebende Wahnvorstellung des stets
Konfusion verbreitenden ewigen Juden der die im Einklang mit der
Natur sich befindende arische Welt durch die Verlockungen des Geldes
und des Fleischverzehrs aus ihrer artgemäßen Ordnung brachte.
Das, was Wagner, Hitler, die Anthroposophen und heutige
nordisch-religiöse Ökoromantiker wie Baldur Springmann und Henning
Eichberg eint, taucht als Kampf gegen einen "zweitausend Jahre lang
religiös betonierten Rassismus der Menschenart" in zeitgenössischer
Diktion von Singer auch als "Speziezismus" bezeichnet - wieder auf.
Das Beharren auf der Rückkehr zur sogenannten natürlichen Ordnung -
ideologisches Abziehbild des kapitalistischen bellum omnium contra
omnes -, für die das gesunde Tier steht, das seiner Bestimmung "Jagen
und Gejagtwerden" nachkommen muß, schließt stets die Mentalität des
Vernichters des Unnatürlichen - des Kranken und rassisch-genetisch
Minderwertigen - ein: "The bizarre world of Germany", in der, wie
Daniel Goldhagen mit äußerstem Befremden festhält, als "moral
imperative" galt, Kühen bei Viehtransporten genügend Raum im Waggon
zu gewähren, während man beim nächsten Wagen kaum die Tür noch
schließen konnte, weil er übervoll mit Juden gestopft war, war
Konsequenz solcher Tierliebe. Wie sehr man auf den
Ressentimentzusammenhang, der zwischen dem bösen Juden und dem lieben
Vieh besteht, in Hinsicht auf die Öffentlichkeit baute, zeigt nicht
zuletzt der NS-Hetzfilm "Der ewige Jude", dessen Schlußsequenz, quasi
als Gipfelpunkt der Verwerflichkeit, minutiös die Schächtung eines
Kalbes vorführt.
Nun wähnen sich aber die deutschen Speerspitzen des Antispeziezismus
zu Unrecht des Faschismus verdächtigt. Von Alice Schwarzer über
Piwitt bis zur Gruppe "Linkswende" und ihrer Zeitschrift "Novo"
werden sie nicht müde zu betonen, daß Singer, der Autor von
Animalliberation und damit geistiger Ziehvater der Bewegung, von aus
Deutschland geflüchteten Juden abstamme und daß deshalb die wahren
Faschisten diejenigen seien, die Auftritte des Tierrechtlers und
Euthanasiebefürworters Singer zu verhindern suchten. Diesen absurden
Umkehrschluß untermauern die Singer-Fans regelmäßig mit dem Hinweis,
daß Linke und Behindertenorganisationen schließlich bei ihrer
"intoleranten" Kampagne reaktionären Lebensschützern zugearbeitet
hätten: Wer gegen Singer sei, halte es mit dem Erzbischof Dyba,
schallt es sinngemäß aus jeder dritten Ausgabe von "Emma".
Tatsächlich ist der Widerspruch zwischen Lebensschutz und Kindermord
nur ein scheinbarer, denn an Mordlust fehlt es speziell altvölkischen
und neurechten Lebensschutzhardlinern keineswegs. Betrachtet man
beispielsweise den "Weltbund zum Schutze des Lebens", die erste
deutsche Organisation, die sich "Umweltschutz" auf die Fahne
geschrieben hatte, so fällt bereits beim Blick auf die Namen ihrer
Unterabteilungen, wie der vom Neonazi Jürgen Rieger geleiteten
"Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und
Verhaltensforschung", auf, daß den Lebensschützern die Unterscheidung
von lebenswertem und lebensunwertem Leben, die auch Singer umtreibt,
bestens geläufig ist. Da beider Weltbilder vor Biologismus nur so
strotzen, stimmen ohne jeden Zweifel die braunen Lebensschützer mit
den Tierfreunden ebenfalls darin überein, daß etwas gegen die
sogenannte Uberbevölkerung getan werden müsse. Der Unterschied
besteht einzig und allein im klassischen Rassismus, dem die famosen
Lebensschützer frönen: Während die rechten Ökologen sich um die
Aufzucht der höherwertigen arischen Rasse sorgen, Uberbevölkerung
also als zahlenmäßig ungünstige Relation zwischen hochwertigem und
minderwertigem Menschenmaterial begreifen, kennt der "pragmatische"
Utilitarist Singer keine rassischen Unterschiede beim überschüssigen
Biomaterial (obwohl auch er als Metropolenbewohner Afrika meint, wenn
er "Problem des Bevölkerungswachstums" sagt: "Wenn die Leute dort
nicht so viele Kinder hätten, wären wir der Lösung des Hungerproblems
einen Schritt näher"; "Novo", Juli/August 96).
Noch unsinniger aber ist der Konter, mit dem Cornelia Filter in
"Emma" 2/94 gegen das "Rede- und Publikationsverbot", welches "die
Fortschrittlichen" über den "provozierenden Singer" verhängten,
aufwartet: Sie, die Fortschrittlichen, könnten den Ethiker nur zum
"Nazi aufbauen", indem sie "gänzlich seine Bedeutung für die
internationale Tierbefreiung" ignorierten. Eines dieser tierliebenden
Hauptverdienste, das die Emmas so richtig auf den Geschmack brachte,
war das von Singer initiierte "Great Ape Project" mit der Forderung,
die "Gemeinschaft der Gleichen" um die Menschenaffen zu erweitern.
Menschenrechte für die Großen Menschenaffen - so der Titel des u.a.
von Singer herausgegebenen Sammelbandes - fordert "Emma" voll
Sensibilität und Mitgefühl. Da warb in "Emma" 6/94 dann auch die
Affenforscherin Jane Goodall, bekannt aus der "Bunten" sowie aus Funk
und Fernsehen, für eine Menschenrechtsdeklaration (das Kernstück des
"Projects"), die ebenfalls in derselben Nummer abgedruckt war und der
sich "frau" per Unterschrift gleich anschließen konnte. "Der
Schimpanse, der Gorilla und der Orang-Utan ... haben geistige
Fähigkeiten und ein emotionales Leben, die hinreichend sind, ihre
Einbeziehung in die Gemeinschaft der Gleichen zu rechtfertigen",
steht in dieser Deklaration zu lesen; und daß dies "ein Augenblick
(ist), da aus eben der westlichen Gesellschaft, die ihre Herrschaft
so unerbittlich ausgedehnt hat, eine rationale (!) Ethik
hervorgegangen ist, die die moralische Bedeutung der Zugehörigkeit zu
unserer eigenen Spezies in Frage stellt".
Den Rückfall der Vernunft in den blinden Kreislauf, in dem Verwertung
und Natur identisch scheinen, bezeugt die Debatte um die
Menschenrechte der großen Affen wie keine zweite. Bei der Biologin
Goodall ist diese sekundäre Naturverfallenheit der Vernunft, die ihr
ureigenstes Mittel, die Sprache, völlig verachtet, bereits zur
degoutanten Vollendung gediehen: Nur in einem Nebensatz erwähnt sie
noch, daß Schimpansen bloß "nicht sprechen können", sich ansonsten
aber - außer um 1 lächerliches Prozent DNA - nicht von den
afrikanischen Sklaven der Neuzeit unterschieden. Gleichheit dessen,
was ein Gesicht trägt, wird nicht mehr durch die in Sprache - ob
geschrieben oder gesprochen - liegende Potenz des erkennenden
Bewußtseins bestimmt, sondern durch die potentielle Fähigkeit,
stumpfsinnigste Industriearbeit verrichten zu können. Singer
zustimmend zählt "Emma" 4/94 folgende Kriterien auf: Ein Schimpanse
benutzt Werkzeuge, erlernt die Anfangsbegriffe der Taubstummensprache
und ist fähig, aus eine r wechselnden Anzahl von Gegenständen immer
den mittleren herauszugreifen. Vergessen wurde hier nur, daß er
vermutlich auch fähig ist, eine Stempelkarte in die Stechuhr
einzuführen.
Bei der "rationalen Ethik", von der in der erwähnten Deklaration die
Rede war, handelt es sich also um eine Ethik der industriellen
Rationalisierung. Mit diesem Manöver wird die Grenze zwischen Mensch
und Tier als durch Vernunft, d.h. Bewußtwerdung, komplexe
Kommunikation und Wissenskumulation bestimmte aufgehoben und die
Rechtsgemeinschaft nur durch die zumindest potentielle industrielle
Verwertbarkeit ihrer Mitglieder bestimmt. Dieser Imperativ bestimmt
bei Singer die Grenze zwischen "personalem", erhaltenswertem Leben
und "nicht-personalem", zur Vernichtung freigegebenem Leben. Daher
rührt auch sein Insistieren auf den Menschenaffen, das Primat der
Primaten: Die Wal- und Delphinbegeisterung teilt zwar zweifelsohne
das tierrechtelnde Ressentiment gegen die Vernunft mit Singer,
verfehlt aber den Praxisbezug der Euthanasie, der durch die virtuelle
industrielle Potenz der Affenhand hergestellt wird.
"The Great Ape Project" entpuppt sich als das, was man bei der
Autorenschaft Singers und Konsorten sowieso vermuten mußte: als
Tateinheit von Tierrecht und Euthanasie. Diese streift so das ihr zu
eng gewordene historische Korsett des Nationalsozialismus ab, um die
Mordlust "pragmatisch" zu verallgemeinern. Der sich mit Verweis auf
die Fähigkeiten von Menschenaffen legitimierenden "rationalen Ethik"
geht es nicht mehr so sehr um die Züchtung wahnhaft bestimmten Volks
und Rasse, sondern nur noch um die nun schrankenlose, ebenso
wahnwitzige Bestimmung von Verwertbarkeit oder Nichtverwertbarkeit
des ihr anheimfallenden Menschenmaterials. Singer und die Gilde der
Bioethiker sind nur dann keine Nazis, wenn man sich diese nur als
"Stürmer"-lesende Stammtisch-Antisemiten vorstellen kann.
Seinesgleichen stellt vielmehr die Weiterentwicklung des
bevölkerungsplanenden, kühl-rationalen Typus' "Vordenker der
Vernichtung" dar, der sicherlich über den "Stürmer"-Pöbel die Nase
rümpfte, der aber deshalb um so mehr das verkörpert, was bereits
Goethe im Faust befürchtet hatte: "Er nennt's Vernunft und braucht's
allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein."
Die Verdoppelung des Wahns in hie Strategen und da Sturmabteilungen
kennzeichnet allerdings auch den postnazistischen, ökologisch-
tierlieben "Gemütsfaschismus" (Pohrt). Im wohlanständigen Feuilleton,
im feministischen Magazin oder in einer liberal-linken
Kleinzeitschrift kocht ein jeder mit dem Versuch, die Grenze zwischen
Mensch und Tier aufzuheben noch sein eigenes Süppchen: Dienen sich
die Drewermanns und Piwitts als ökologische Stichwortgeber globaler
"Bevölkerungspolitik" an, so betreibt die Differenzfeministin, iniem
sie sich ihrem Kätzchen gleichmacht, die ang ersehnte Regression aufs
scheinbar bioogische Substrat, und der "Novo"-Redakeur darf sich
wieder politikfähig-nahe beim lolk wähnen, wenn er die Diskussion der
~uthanasie deswegen fordert, um sich selbst inzureden, daß "die
Bevölkerung der >volksriologischen Reinigung< keine Symphatien
bgewinnen konnte" ("Novo", Juni/August 96).
Blank und ohne strategischen Uberau hingegen tritt die innere
Motivation, mit er sie alle an der "Selbstzerstörung der Auflärung"
(Horkheimer/Adorno) arbeiten, der um sich schlagende
Vernichtungswille des tischistischen Marktsubjekts nämlich, bei der
veganen "straight edge"-Bewegung zutage. Das 1995 in Deutschland
nachgedruckte vegane Kultbuch A Declaration Of War. Killig People To
Save Animals And The Environnment eines gewissen "Screaming Wolf"
spricht Klartext: "Liberators firmly believe e best thing that could
happen to the Earth and all of its non-human inhabitants is that
human societies come to an end, along with all people. Human caused
destruction to the environment and to other creatures would end. The
tyranny of humankind would be over. That is a cause for which
liberators would gladly martyr themselves."
"Es lebe der Tod" und "Nieder mit der Intelligenz" hatten Francos
Bataillone sich auf die Fahnen geschrieben, als sie in ihre Blutbäder
zogen. Heute sind dies die Losungen der Tierrechtler und
Animal-Liberators.
Uli Krug in Konkret 9/96
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Most recent revision: April 07, 1998
E-MAIL:
Martin Blumentritt