Jürgen Elsässer
Antisemitismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus in Politik und Öffentlichkeit
Eine Chronologie seit dem 9. November 1989
In dem Augenblick, in dem wir Auschwitz vergessen, ist es wieder da.
Primo Levi
In die folgende Übersicht wurden nur Äußerungen parlamentarischer
Kräfte, etablierter Medien und angesehener Wissenschaftler aufgenommen; außerparlamentarische
Aktivitäten von Kleingruppen wurden nicht berücksichtigt. Ebenfalls wurde
darauf verzichtet, Rassismus und Xenophobie zu dokumentieren also das, was traurige
Normalität auch in den Ländern ist, die keine nationalsozialistische Vergangenheit
haben. Diese chronologische Beschränkung macht die traurige Exklusivität
der deutschen Gesellschaft, das Hineinreichen der Vergangenheit in die Gegenwart,
um so deutlicher. Die Relativierung und Beschönigung der deutschen Nationalgeschichte
ist notwendig verzahnt mit Antisemitismus.
9. 11. 1989: Vom Vergessen und Beschönigen (1) Maueröffnung. Berlins Regierender
Bürgermeister Momper:"Heute nacht ist das deutsche Volk das glücklichste
Volkder Welt." Bischof Martin Kruse, Vorsitzender der EKD,wertet im "Wort
zum Sonntag" den Tag aufgrund der Maueröffnung als "hellstrahlenden
Tag in der deutschen Geschichte".
14. 11. 1989: Vom Vergessen und Beschönigen (2) Landtagsdebatte in Wiesbaden.
Thema ist erneut ein Erlaß des CDU- Kultusministers, den hessischen Schülern
alle drei Strophen des Deutschland-Liedes nahezubringen. Auf Proteste der SPD und
der Grünen hatte Ministerpräsident Wallmann im Oktober d. J. daran erinnert,
daß die SPD im Mai 1933 im Reichstag die Nationalhymne mitgesungen habe. Wallmann
hatte u. a. aus dem Protokoll des Reichstagspräsidenten Göring zitiert:
"Die Welt hat gesehen, das deutsche Volk ist einig, wenn es sein Schicksal
gilt." Bei der jetzigen Debatte verteidigt sich Wallmann: "Ich habe an
meiner Rede vom 12. 10. nichts richtigzustellen."
17.-24. 11. 1989: Gegen das "internationale Judentum" (1) Polenreise des
Bundeskanzlers Kohl: Der Besuch im Warschauer Ghetto, der ursprünglich für
den Sabbat geplant war, muß verschoben werden. Regierungssprecher Klein (CSU)
ist verärgert und macht das "internationale Judentum" verantwortlich.
November 1989: Vom Vergessen und Beschönigen (3) Der SPD-Vorsitzende, H. J.
Vogel, unterstützt den Vorschlag, den 9. 11. wegen der Maueröffnung zum
deutschen Nationalfeiertag zu erklären.
1. 12. 1989: Gegen das "internationale Judentum" (2) Bundeskanzler Kohl
belehrt den israelischen Ministerpräsidenten Schamir: Bezüglich des wiedervereinigten
Deutschland "verbietet sich jede Parallele zum nationalsozialistischen Unrechtsregime".
Scharnir antwortet am 10. 12. 1989: "Niemand kann genau sagen, zu welchem Ergebnis
die jetzige Woge der Begeisterung und Emotioncn letztendlich führen wird am
wenigsten das jüdische Volk,"
3. 12. 1989: Zurück in die Zukunft (1) Spiegel-Herausgeber Augstein auf den
Spuren von Schönhuber: "Schon wollen die Republikaner ein blockfreies
Deutschland und finden damit Zustimmung. Warum auch nicht, wenn dieser Staat weder
angreifen noch angegriffen werden kann." (Spiegel 49/11989)
4. 12. 1989: Gegen das "internationale Judentum"(3) dpa-Meldung: "Der
seit Samstag flüchtige Devisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski,
soll sich in Israel aufhalten. Den Informationen zufolge ist Sch. jüdischen
Glaubens und hätte damit nach den israetischen Einwanderungsgesetzen ein Aufenthaltsrecht."
Daraus macht BILD die Schlagzeile: "Verschob Waffen schmuggelte Westmilliarden
verbrannte 100000 Geheimakten Schalck, der Schieber, mit Geldkoffer in Israel."
8.1. 1990: Gegen das "internationale Judentum" (4) Im Spiegel verhöhnt
Herausgeber Rudolf Augstein Elie Wiesel. Aus "Wiesel der Erinnerer" sei
"Wiesel der Verdränger" geworden. "Mit welchem Recht",
so Augstein. halte dieser die Vereinigung für verfrüht. "Wenn aber
jetzt nicht, wann dann?" fährt Augstein fort. "Immateriell können
wir nicht bezahlen, aber materiell haben wir bezahlt." Elie Wiesel solle lieber
erklären, warum in Jerusalern geschossen wird und in Berlin nicht. Augstein:
"Das liegt nun nicht mehr an Adolf Hitler."
13./14. 1. 1990: Gegen das "internationale Judentum" (5) REP-Parteitag.
Schönhuber bezeichnet Gilinskis Warnungen vor Neonazi-Umtrieben als "Geschmacklosigkeit".
Durch seinen Artikel im "Neuen Deutschland" helfe Galinski der SED, "von
den wirklichen Problemen der DDR abzulenken, indem er nun die Gefahr der sogenannten
Braunen an die Wand malt". Nicht die Neonazis seien die Gefahr, sondern die
Neo-Stasis. Schönhuber forderte Galinski auf, mit der Verleumdung "deutscher
Patrioten" aufzuhören. "Schalom, Herr Galinski, lassen sie uns endlich
zufrieden, stellen Sie Ihr Geschwätz ein. (... ) Wir lassen uns nicht länger
demütigen. (... ) Herr Galinski, Sie sind schuld, wenn es wieder verachtenswerten
Antisemitisrnus in diesem Land geben sollte."
15. 1. 1990: Gegen das "internationale Judentum" (6) Im Spiegel 3/1990
wird in der Titelstory gegen "Drahtzieher Gysi" gehetzt. Dabei werden
antisemitische Klischees verwendet ("Drahtzieher", "Trickser",
der mit der "Tarnkappe" und der "intellektuellen Kälte",
der "Advokat" mit den "Winkelzügen")
Januar 1990: Der alte Geist (1) In einer vom Bundesvorstand der Grünen herausgegebenen
Broschüre "Wider Gewalt gegen Frauen und Mädchen" werden Lügengeschichten
über den Talmud kolportiert, wie sie auch von Alfred Rosenberg stammen könnten.
Eine Sexualtherapeutin gibt zum besten, laut Talmud könne "ein weibliches
Kind von drei Jahren und einem Tag mit Erlaubnis des Vaters durch Geschlechtsverkehr
verlobt werden." Und weiter: "Geschlechtsverkehr mit einem noch jüngeren
Mädchen war kein Verbrechen, sondern zählte nicht ... " (SEMIT 2/91)
15. 2. 1990: Vom Vergessen und Beschönigen (4) Meinhard Miegel, der Leiter
des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, einer Gründung des
CDUPolitikers Kurt Biedenkopf, findet, das passende Wort für den Holocaust
sei heute "Rowdytum" eines "Halbstarken, der zu Beginn des Jahrhunderts
seine Nachbarn terrorisierte", der aber mittlerweile "ein tüchtiger,
wohlhabender und zugleich gesetzter Mensch" geworden ist. (FAZ)
20.2. 1990: Gegen das "internationale Judentum" (7) Der Fernsehsender
RTL berichtet in seiner Nachrichtensendung, der PDS-Vorsitzende Gysi habe an das
internationale Weltjudentum appelliert, in der DDR zu investieren, um die Eigenstaatlichkeit
zu retten.
18. 3. 1990: Der alte Geist (2) Kommunalwahlen in Bayern. Die REP erreichen in München
7,3 %; sie waren erstmals zur Wahl angetreten.
3. 5. 1990: Der alte Geist (3) Der Bremerhavener DVU-Landtagsabgeordnete Schmidt
ruft bei einem Redebeitrag, der auf die Ermordung von 500000 Sinti und Roma durch
die Nazis hinweist, dazwischen:"Mehr nicht? Schade."
31.5.1990: Vom Vergessen und Beschönigen (5) Das alliierte Verbot öffentlicher
Aktivitäten der NPD in Berlin West) läuft aus. Der rot-grüne Momper-Senat
verzichtet auf einen Verlängerungsantrag.
Mai 1990: Der alte Geist (4) Oberammergauer Passionsfestspiele. In den zum ersten
Mal seit 6 Jahren wieder stattfindenden Festspielen gibt es immer noch zahlreiche
antijüdische Textpassagen. Die Schauspielleitung teilt mit, diese könnten
"wegen bischöflicher Anweisung" nicht herausgenommen werden.
Juni 1990: Vom Vergessen und Beschönigen (6) Gerd Bucerius spricht in der ZEIT
über die Umweltverschmutzung unter der SED-Herrschaft: "Im Interesse des
eigenen privilegierten Lebens haben sie die Bevölkerung vergast."
Juni 1990: Vom Vergessen und Beschönigen (7) Die Zeitschrift "Code"
berichtet, Bundesjustizminister Engelhardt hat den sogenannten Leuchter-Bericht,
der die Vergasung von Millionen Juden bestreitet, als "wissenschaftliche Untersuchung"
anerkannt. lt. Allg. Jüdische Wochenzeitung, 4. 10. 90)
27.7.1990: Zurück in die Zukunft (2) Kanzler-Berater Michael Stürmer warnt:
"In jeder Dämonisierung liegt die Gefahr der sich selbst erfüllenden
Prophezeiung, in jeder Diskriminierung Deutschlands die Gefahr des Sonderwegs."
FAZ)
August 1990: Vom Vergessen und Beschönigen (8) Streit um die Präambel
des Einigungsvertrages. Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert, daß
in dieser völkerrechtlichen Geburtsurkunde des neuen vereinigten Staates kein
Hinweis auf die bleibende Verantwortung für die deutschen Verbrechen im Hitlerfaschismus
vorkommt. Noch im Juni war dem Zentralrat von Kohl entsprechendes zugesichert worden.
Dies sei, so Galinski, "nicht nur eine Mißachtung der jüdischen
Menschen in aller Welt, sondern eine Mißachtung aller Opfer des Faschismus".
9. 9.1990: Zurück in die Zukunft (3) Der Chefredakteur der WELT, Herbert Kremp,
empfiehlt, mehr noch als die Nation könne die "alte Reichs-Figur"
den Deutschen nach der Vereinigung "Identität spenden". Und weiter:
"In dem Maße, in dem Großmacht vom Begriff des Militärischen
und Territorialen zu dem des Wirtschaftlichen und Technologischen überwechselt,
erscheint Deutschland für die Länder Osteuropas als ein Hoffnungsträger,
ein Förderer, ein Bringer. Dies ist aber die alte Reichs-Figur."
12. 9. 1990: Vom Vergessen und Beschönigen (9) Abschluß der 2 + 4-Verhandlungen.
Die Entschädigung der polnischen Sklavenarbeiter wird nicht berücksichtigt.
16./17. 9. 1990: Deutschland bleibt deutsch (1) Einreisestopp für Juden aus
der Sowjetunion. Die deutschen Botschaften in der UdSSR geben an, "vorläufig"
keine Anträge von jüdischen Ausreisewilligen mehr zu bearbeiten.
September 1990: Zurück in die Zukunft (4) Zur Buchmesse erscheint ein Buch
des Filmregisseurs Syberberg im Matthes & Seitz-Verlag. Kostprobe: "Die
Erhebung der Menschen im östlichen Restdeutschland" habe nun endlich die
"Freiheit von den Befreiern", ein "Erwachen aus namenloser Gefangenschaft"
gebracht, "Deutschland aus widernatürlicher Zwangsherrschaft der Niederlagen
befreit" und die "Knuten der Vergangenheitsschuld, wie sie seit 40 Jahren
das Leben abgetötet" haben, abgeschüttelt. "Die Einheit Deutschlands,
Schlesien, Schönheit, Gefühl, Begeisterung. Vielleicht sollte man Hitler
neu bedenken." konkret 10/90)
3. 10. 1990: Deutschland bleibt deutsch (2) Mit der Vereinigung erlischt der DDR-Ministerratsbeschluß
vom 11. Juli, der jüdische Neueinwanderer den DDR-Bürgern gleichstellte
und ihnen ein einklagbares Recht auf einen Wohnberechtigungsschein, eine Arbeitsstelle
und Integrationshilfen sicherte.
10. 10. 1990: Vom Vergessen und Beschönigen (10) Leitkommentar von Eckhard
Fuhr in der FAZ: "Auschwitz wird nicht jene Bannformel bleiben, bei der die
Deutschen augenblicklich in eine angestrengte Selbstbetrachtung verfallen".
14.10. 1990: Der alte Geist (6) Die"Republikaner" verfehlen mit 4,9% nur
haarscharf denEinzug in den bayrischen Landtag. Bei den Bundestagswahlen Anfang
Dezember erreichen sie in Bayern 5,1%.)
6. 11. 1990: Vom Vergessen und Beschönigen (11) Der Bundestag berät über
die Entschädigung für Zwangsarbeiter und entscheidet nichts. Das Problem
wird zur Prüfung an einen Ausschuß verwiesen.
2. 12. 1990: Der alte Geist (7) Erste Bundestagswahlen im vereinten Deutschland.
Die REP erreichen 2,1 %, die Grünen/West scheitern an der 5 %-Hürde.
4. 12. 1990: Gegen das "internationale Judentum" (8) Report München
berichtet über ein angebliches Zusammenspiel des Jüdischen Weltkongresses
und der damaligen SED gegen die deutsche Einheit", lautet die Variation des
Treitschke-Mottos "Die Juden sind unser Unglück"; Beweise: fragwürdige
"DDR-Dokumente".
14./15. 12. 1990: Deutschland bleibt deutsch (3) Der Innenministerkonferenz liegt
ein Papier zur Regelung der jüdischen Zuwanderung aus der UdSSR vor. Die Vorlage
empfiehlt, gut qualifizierte und dem "deutschen Kulturkreis" nahestehende
Juden bevorzugt aufzunehmen. Baden-Württembergs Innenminister Schlee CDU) begründet
das damit, die Bundesrepublik sei schließlich "kein Einwanderungsland".
Stoiber CSU) will pro Jahr höchstens eine Quote von 1 000 Juden einwandern
lassen. Galinski kritisiert das vorgeschlagene Verfahren als "Selektion".
Die IMK vertagt den Beschluß.
21./22. 12. 1990: Deutschland bleibt deutsch (4) Die Innenministerkonferenz einigt
sich darauf, einreisewillige Juden "grundsätzlich" aufzunehmen. Eine
konkrete Quote wird nicht festgelegt.
Dezember 1990: Zurück in die Zukunft (5) Rudolf Bahro 1984/85 im Bundesvorstand
der Grünen) äußert im Magazin "Streitschrift" seine Wünsche:
"Eigentlich ruft es in der Volkstiefe nach einem grünen Adolf, und die
Linke hat davor nur Angst, anstatt zu begreifen, daß ein grüner Adolf
ein völlig anderer wäre als der bekannte."
9.1.1991: Deutschland bleibt deutsch (5) Die IMK beschließt, die Juden aus
der UdSSR "nach den Vorschriften über Maßnahmen für im Rahmen
humanitärer Flüchtlingsaktionen aufgenommene Flüchtlinge" einreisen
zu lassen. Damit bekommen sie als "Kontingenttlüchtlinge" die Möglichkeiten,
die ansonsten nur anerkannten Asylbewerbern zustehen z. B. Sprachkurs). Der Haken:
Man kann jetzt nicht mehr als Tourist in die Bundesrepublik einreisen, sondern muß
in den deutschen Botschaften der UdSSR einen Einwanderungsantrag stellen. Da es
nur sehr wenige diplomatische Vertretungen inder UdSSR gibt Kiew, Leningrad, Moskau),
bedeutet das eine große Erschwernis.
24.1. 1991: Vom Vergessen und Beschönigen (12) Nolte zieht Bilanz der gewonnenen
Historikerdebalte: "Daher sollte das Jahr 1933 nicht mehr als ein autonomes
Epochenjahr gelten, vielmehr muß es als feindselige Imitation des wichtigeren
russischen Jahr 1917 verstanden werden. ... ). Dennoch darf und muß weiterhin
von einer Singularität der späteren nationalsozialistischen Vernichtungsmaßnahmen
schon allein deshalb die Rede sein, weil die Ausrottung relativ kleiner und für
fremd erklärter Gruppen einen abstoßenderen Charakter trägt als
die quantitativ umfassendere sowjetische Klassenliquidierung." FAZ). 6 Mio.
ermordete Jüdinnen und Juden für Nolte also eine relativ kleine Gruppe.
6. 2. 199 1: Vom Vergessen und Beschönigen (13) Enzensberger verharmlost mit
der Gleichung "Saddam Hussein =Hitler" den Nationalsozialismus. SPIEGEL
6/91)
19. 2. 1991: Gegen das "internationale Judentum" (9) Der grüne Vorstandssprecher
Ströbele erklärt in einem Interview in der "Jerusalem Post",
die irakischen Raketenangriffe auf Israel seien "die logische, fast zwingende
Folge der Politik Israels." Die einsetzende veiiemente Kritik kommentiert seine
Vorstandskollegin Renate Damus mit den Worten, "als Deutscher könne man
in Anbetracht der eigenen Geschichte nicht alles sagen, auch wenn es wahr ist"!
Februar 1991: Vom Vergessen und Beschönigen (14) Staatsminister Schäfer
FDP) vertritt gegenüber den "Westfälischen Nachrichten", der
Holocaust dürfe "die deutsche Außenpolitik nicht lähmen"
lt. AJW@ 7. 3. 91)
15./16. 3. 1991: Gegen das "internationale Judentum" (10) Auf dem Rep-Parteitag
in Berlin wird gegen den Zentralrat der Juden als "5. interne Besatzungsarmee"
gehetzt.
19. 3. 1991: Gegen das "internationale Judentum" (11) Franz Alt kritisiert
in "Report" die deutschen Unterstützungszahlungen an Israel. Er läßt
als "jüdischen Experten" den Historiker Wolffsohn zu Wort kommen,
der Israel des Gebrauchs der "Auschwitz-Keule" gegen Deutschland beschuldigt.
März 1991: Der alte Geist (8) In Fernsehtalkshows mehren sich die antiisraelischen
Stellungnahmen, berichtet Heinz Galinski in der "Allg. Jüdischen Wochenzeitung"
vom 14.3. 91. So sei in SAT 1 mehrfach die Vernichtung Israels als politisches Ziel
formuliert worden.
April 1991: Vom Vergessen und Beschönigen (14) Die Wirtschaftszeitung Forbes
bezeichnet die Anschuldigungen gegen deutsche Firmen, mit dem Irak beim Bau von
C-Waffen kooperiert zu haben, als "Giftgas-Lüge". Wer denkt da nicht
an: "Auschwitz-Lüge"?) Ganz in diesem Tenor forderte BDI-Präsident
Weiss, "die Angelegenheit auf die richtige Größe zurückzustutzen",
und Arbeitgeber-Präsident Murmann klagte, es sei so typisch deutsch, daß
sich die Deutschen wegen der Rüstungsexporte schuldig fühlten.
8. 5. 199 1: Vom Vergessen und Beschönigen (15) Kein einziger deutscher Politiker
nimmt zum Jahrestag der Befreiung vom Faschismus Stellung.
Mai 1991: Der alte Geist (9) Die Ost-Zeitung "Der Morgen" über Schalck-Golodkowski:
"Dabei gehörte der Mann schon aus Gründen politischer Hygiene samt
seiner Sippschaft hinter Gitter." konkret 6/91)
20. 6. 1991: Vom Vergessen und Beschönigen (16) Der Bundestag beschließt,
daß Berlin die künftige deutsche Hauptstadt sein soll. In seinem Plädoyer
sagt Willy Brandt: "In Frankreich wäre übrigens niemand auf den Gedanken
gekommen, im relativ idyllischen Vichy zu bleiben, als fremde Gewalt der Rückkehr
an die Seine nicht mehr im Wege stand." So wird das von Deutschland überfallene
Frankreich mit dem von den Alliierten befreiten Deutschland gleichgesetzt.
Juni 1991: Zurück in die Zukunft (6) Im Verlag "Wissenschaftliche Buchgesellschaft"
erscheint das Buch "Nationalsozialismus und Modernisierung". Eine Gruppe
junger Historiker, in der Mehrheit Schüler von Ernst Nolte, räumt darin
mit der gängigen Lehrmeinung auf, "der nationalsozialistischen Politik
jede reformerische Potenz abzusprechen", Auf vielen Gebieten wird das Gegenteil
ausgemacht: So habe Hitler "bereits ein Rezept gegen die Arbeitslosigkeit gehabt,
als Keynes mit der Erklärung der Ursachen noch nicht fertig war." Außerdem
habe sich der Nationalsozialismus "in verblüffend moderner Weise mit ökologischen
Fragestellungen beschäftigt". Auch die "Ziele eines egalitär
kämpferisch-revolutionären Soldatentums" werden in Abgrenzung zum
Kastendenken der wilhelminischen Armee lobend erwähnt. In der Bevölkerung
habe die NS-Diktatur "Erwartungen und Energien für eine moderne, effizienter
und egalitärer gedachte gesellschaftliche Ordnung" geweckt.
ab 21. 7.1991: Vom Vergessen und Beschönigen (17) Demonstrationen gegen Pläne,
auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbr-ück einen
Supermarkt zu errichten. Ehemalige KZ-Häftlinge werden von Einwohnerlnnen Fürstenbergs
angepöbelt und geschlagen. Die 68jährige Georgia Peet, die drei Jahre
im KZ inhaftiert war, kommentiert: "So war das damals auch, es fehlen nur noch
die Schäferhunde." Bürgermeister Engler SPD) hatte den Supermarkt
verteidigt: "Es kann nicht angehen, daß die Gedenkstätte die Stadt
Fürstenberg erdrückt." Landesentwicklungsminister Wolf SPD) hatte
ihn unterstützt: "Hier entsteht etwas Vernünftiges, das sauber aussieht."
Ministerpräsident Stolpe lenkte schließlich nach Protesten im Ausland
ein. Damit war nach seinen Worten der Verdacht entkräftet, "daß
der häßliche Deutsche sich nun nach der Wende entlarven wird". Tags
darauf zeigte sich das Gegenteil: Gegen die Stolpe- Entscheidung zettelten die Fürstenberger
eine Straßenblockade an, der Verkehr auf der B 96 war von bis zu 600 Bürgerlnnen
sieben Stunden lang lahmgelegt.
Juli 1991: Vom Vergessen und Beschönigen (18) Die Arbeitsstollen des ehemaligen
KZs Dora-Mittelbau sollen der kommerziellen Nutzung übergeben werden. 1992
wurden diese Pläne nach starken Protesten aufgegeben)
Juli 1991: Zurück in die Zukunft (7) In Heft 29/91 der liberalen "Wirtschaftswoche"
entdeckt deren Herausgeber Wolfram Engels die Vorzüge der nationalsozialistischen
Ökonomie. Er konstatiert, "daß es auch in unserer aufgeklärten
Geschichte ein Tabu gibt unsere eigene Geschichte der Jahre 1933 bis 1945."
Dieses "Tabu der Nazizeit" aber müsse nun gebrochen werden, denn
"die Wirtschaftsgeschichte der Nazizeit ist von ganz besonderem Interesse."
Nach der Erwähnung der zurückgegangenen Arbeitslosenziffern und des angestiegenen
Produktionslevels fährt er fort: "Diese Zahlen sind so aufregend, daß
ihre Gründe aufgedeckt werden sollten: Hat Hitler seine Wirtschaftserfolge
mit brutalen Zwangsmaßnahmen wie Stalin erreicht, oder gibt es andere Erklärungen?
Und falls es andere Gründe geben sollte ..., können wir auf Erfolgsrezepte
nur deshalb verzichten, weil Adolf Hitler sie angewandt hat?"
17. 8.1991: Vom Vergessen und Beschönigen (19) Feierliche Überführung
der sterblichen Überreste von Friedrich 11. nach Potsdam. Kanzler Kohl unterstreicht
durch seine Anwesenheit "als Privatmann" die Bedeutung der Zeremonie.
Unter den Zehntausenden von Zuschauern gibt es viele, die die "Wiedervereinigung
der Geschichte" mit preußischen, schwarz-weiß- roten und Reichskriegstlaggen
feiern. Sozialdemokratische Kritik hatte die CDU-Bundestagsabgeordnete Nolte so
zurückgewiesen: Wer gegen das Potsdam-Spektakel eintrete, verhindere die deutsche
Selbstfindung und "trage Mitschuld, wenn sich in Deutschland Ausländerfeindlichkeit
breit mache und Aggression gegen Nachbarvölker" FR, 20. 7. 1991)
19.8.1991: Vom Vergessen und Beschönigen (20) Der Zentralrat der Sinti und
Roma kritisiert, daß seit Beginn des Jahres zunehmend Entschädigungsforderungen
von Opfern des Nazi- Regimes mit teilweise skandalösen Begründungen abgelehnt
würden. Beispielsweise würden KZ euphemistisch als "Auffanglager"
bezeichnet, demzufolge sei dann Haft, Zwangsarbeit und Folter "nicht entschädigungswürdig".
Nur ein "winziger Bruchteil" der 300 Millionen Mark, die der Bundestag
1987 für Entschädigungen von NS- Häftlingen bewilligt habe, sei bisher
vergeben worden. FR, 19. 8. 91)
Ca. 20. 8. 1991: Der alte Geist (10) Der rechtspolitische Sprecher der CDU, Norbert
Geis, bezeichnet eine Forderung von Heinz Galinski als "abenteuerlichen Rückgriff
auf jene Praktiken, unter deren Deckmantel auf deutschem Boden in den vergangenen
sechs Jahrzehnten unsägliches Unrecht geschehen ist." Der gemaßregelte
Jude hatte gefordert, daß neofaschistisehe Überzeugungstäter im
Rahmen der geltenden Strafprozeßordnung schneller bestraft werden sollen.
ak 333)
August 1991: Der alte Geist (11) Der Unterhaltungschef des Hessischen Rundfunks,
Jochen Filser, äußert sich über junge Frankfurter Juden, deren "Orientierung@
August 1991: Der alte Geist (12) Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes
Berlin vom August 1991 kann sich ein jüdisches Ehepaar aus Riga nicht auf seine
deutsche Herkunft berufen, ihr Vertriebenenausweis wird deswegen eingezogen. Das
Urteil schafft einen Präzedenzfall für circa 150000 weitere deutsche Juden
in Osteuropa: Sie müssen sich entscheiden, entweder sie sind Deutsche oder
Juden, beides zusammen geht nicht SEMIT 5/92)
12. 9.1991: Vom Vergessen und Beschönigen (21) Reinhard Göhner, Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundesjustizministerium, vergleicht die Taten der Mauerschützen
in Berlin mit denen der Nationalsozialisten. AJW, 12. 9. 91)
29. 9. 199 1: Der alte Geist (13) Landtagswahlen in Bremen. Die DVU erreicht 6,1
1987: 3,4%), in Bremerhaven sogar 10%. Vorangegangen war eine Pogromwelle gegen
Flüchtlingsheime und eine lautstarke Diskussion über
3. 10. 1991: Deutschland bleibt deutsch (6) Innenminister Schäuble äußert
sich gegenüber der AJW zur Einreise sowjetischer Juden in die Bundesrepublik.
Diese sollen künftig angeben, warum "statt einer Aufnahme in Israel@
12. 11. 199 1: Gegen das "internationale Judentum" (12) Ein Beitrag
in der Report-Sendung von Franz Alt will nachweisen, daß nicht etwa Deutschland
dem jüdischen Staat, sondern umgekehrt, daß der Staat Israel dem vereinten
Deutschland im Zusammenhang mit dem NS-Völkermord Geld schulde, und zwar eine
Milliarde DM. Heinz Galinski erhielt daraufhin "eine Flut von antisemitischen
Zuschriften der schlimmsten Art, in denen Bezug auf diesen TV- Beitrag genommen
wurde". AJW, 5. 12. 1991)
14.11.1991: Vom Vergessen und Beschönigen (22) Bei der Bundestagsdebatte über
das "Stasi-Aktengesetz" wird von "6 Millionen Opfer der Stasi"
gesprochen. Das eröffnet interessante Vergleichsmöglichkeiten konkret
12/91). Kurz darauf analysiert der Schriftsteller Jürgen Fuchs die Stasi-Folgen
als "Auschwitz in den Seelen" ELT vom Dezember 1991)
November 1991: Vom Vergessen und Beschönigen (23) In Frankfurt tagt die Aktionärsversammlung
der IG Farben i. A. = in Auflösung). Die Gesellschaft, die nach dem Faschismus
von den Alliierten aufgelöst worden war, erhebt nach der "Wiedervereinigung"
Anspruch auf die früheren Fabriken und Grundstücke. Eine Entschädigung
der ehemaligen Arbeitssklaven wird jedoch abgelehnt.
November 1991: Der alte Geist (14) Der Antrag eines jungen Mannes aus Polen auf
einen Vertriebenenausweis wird abgelehnt. Dessen Vater, ein deutscher Staatsbürger,
war mit der Nazi-Armee in Polen eingefallen, hatte sich aber in der Gefangenschaft
gewandelt und dann der polnischen Untergrundarmee angeschlossen. Damit, so das Gerichtsurteil,
habe er "ein Bekenntnis gegen das deutsche Volkstum abgelegt". Antifaschismus
ist undeutsch.
Dezember 1991: Zurück in die Zukunft (9) Sitzung der "Liberalen Internationale".
Auf der Tagesordnung steht ein Ausschlußantrag gegen die FPÖ, weil deren
Vorsitzender Haider im Sommer den Nationalsozialisten "eine ordentliche Beschäftigungspolitik"
bescheinigt hatte. Der Antrag scheitert durch die Fürsprache des FDP-Vertreters
Otto Graf Lambsdorf.
Dezember 1991: Vom Vergessen und Beschönigen (24) Der kommissarische Leiter
der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen ergänzt eigenmächtig das Lagermuseum
um eine Ausstellung über die NKWD-Opfer und verteilt eine Broschüre, die
allen Opfern der "14jährigen Diktatur" 1936-1950) gleichermaßen
gerecht werden möchte.
20.1. 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (25) Ausgerechnet in einer ARD-Sendung
zum 50. Jahrestag der Wannseekonferenz äußert sich der angesehene Historiker
Baring zu den Ergebnissen der aktuellen SPIEGELumfrage über Antisemitismus
folgendermaßen: "Ein wichtiger Punkt scheint mir in der Sache zu stecken,
nämlich der, ob gewissermaßen die Vernichtung der europäischen Juden
uns Deutsche auf Dauer zwingt, die Politik Israels zu unterstützen, was immer
sie tut."
22. 2. 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (26) Nolte stellt fest, daß
"der ungeheure Apparat der Staatssicherheit der DDR eine weit intensivere Überwachung
der Bevölkerung zustande brachte als selbst die Gestapo". Den Einwand,
die DDR habe wenigstens keine Angriffskriege geführt und keine Völkermorde
begangen, wischt er vom Tisch. "Sie bejahte zu jeder Zeit jene vergessenen
Angriffskriege, durch welche die Sowjetunion zustande kam" Nolte meint die
Kriege 1919/1920!) und "ihre Truppen rückten 1968 als Teil der Streitkräfte
des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein." Außerdem habe die
DDR "mehr als drei Millionen Menschen vertrieben." FAZ)
Januar 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (27) Dieter Schröder, Chefredakteur
der "Süddeutschen Zeitung", bestreitet die Singularität des
Holocaust durch einen Vergleich der Nationalsozialisten mit den Sowjetkommunisten:
"Die einen haben eine >Rasse
8. 3. 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (28) Der SPD-Politiker Just,
Alterspräsident des brandenburgischen Landtages, wird als Freiwilliger bei
der Erschießung von 6 Menschen 1941 entlarvt. Auf Vorhaltungen rechtfertigt
er sich damit, daß sei zwar "kein Ruhmesblatt", aber im Grunde ein
"alter Hut". Außerdem wisse er bis heute nicht, ob das Juden gewesen
seien bei Polen, Russen usw. wäre das wohl nicht so schlimm gewesen?). Just
muß schließlich zurücktreten, erklärt jedoch, das sei "kein
Eingeständnis einer Schuld", sondern geschehe "mit Rücksicht
auf die Fraktion". Justizminister Bräutigam hatte von der Vergangenheit
Justs schon länger Kenntnis gehabt, auf eine Information der Öffentlichkeit
aber verzichtet.
9. 3. 1992: Gegen das "internationale Judentum" (13) Die FAZ über
die Zukunft der deutsch-israelischen Beziehungen: "Wenn die israelische Regierung
die Unterstützung durch Deutschland auf lange Sicht fortgesetzt sehen möchte,
wird sie auch verstehen, daß sie gelegentlich etwas zur Pflege des guten Willens
in Deutschland beitragen sollte." FAZ-Redakteur Gilessen)
17.3. 1992: Zurück in die Zukunft (10) Die FDP in Stuttgart-Bad Cannstatt plante
für diesen Tageine Wahlkampfveranstaltung mit Jörg Haider. Nach starkem
öffentlichen Druck wird die Veranstaltung abgesagt, soll aber nach der Wahl
so FDP-Chef Lambsdorf nachgeholt werden. Bisher war Haider in der Bundesrepublik
nur bei der CSU aufgetreten.
23. 3. 1992: Gegen das "internationale Judentum" (14) In der FAZ wird
ein neu erschienenes Buch über das Verhältnis von Deutschen und Juden
vorgestellt Konrad Löw, Wider Tabu und Verteufelung, Edition Interfrom, Zürich).
Darin wird auf einige "jüdische Nazis" hingewiesen und daraus geschlußfolgert,
Juden seien "Menschen wie du und ich, in der NS-Zeit Opfer und Täter".
Zur Gegenwart heißt es: "Daß bei uns die Verteidigungsbereitschaft
hingegen so gering ist, mag umgekehrt auch auf die Juden zurückzuführen
sein, die vielen Deutschen die Lust am Selbstbewußtsein und damit am gesunden
Nationalbewußtsein genommen haben." Der FAZ-Rezensent Zitelmann s. Eintrag
"Juni 1991") distanziert sich zwar von diesen Äußerungen, betont
aber gleichzeitig das "an sich berechtigte und mutige Anliegen" des Buches.
Das sieht der Rezensent u. a. in folgender Analyse: "Juden, die das heutige
Deutschland und die heute in Deutschland lebenden Menschen auf die Anklagebank setzen,
fördern damit den Antisemitismus." Die Juden sind selber schuld ...
28. 3. 1992: Gegen das "internationale Judentum" (15) Bundeskanzler Kohl
trifft sich mit dem wegen seiner NSVergangenheit international isolierten österreichischen
Bundespräsidenten Waldheim. Die Kritik des Jüdischen Weltkongresses weist
er in scharfer Form zurück; er glaubt darauf aufmerksam machen zu müssen,
daß der JWC im Herbst 1989 mit der DDR-Regierung gegen die deutsche Einheit
konspiriert habe was der JWC schon damals schriftlich dementiert hat). Den jüdisch-
amerikanischen Kritikern des Treffens hält die FAZ vor, sie ließen "Sinn
für Recht und Menschenwürde" vermissen. Nächster Satz: "Wer
das beides mit System mißachtet, gehört zum Lager der Totalitären".
März 1992: Der alte Geist (15) Durch eine Anfrage der Grünen im bayrischen
Landtag wird bekannt, daß Ministerpräsident Streibl CSU) eine Empfehlung
für ein Buch über den Nazi-Generaloberst Dietl geschrieben hat. In der
Laudatio, vom rechten Universitas-Verlag als Buchwerbung verbreitet, lobt Streibl
die "hochinteressante Darstellung der Vita und Persönlichkeit dieses Heerführers,
dessen hervorragende soldatischen Fähigkeiten und Leistungen außer Zweifel
stehen". Der so gelobte war am Kappund am Hitler-Putsch beteiligt gewesen und
später als "Schlächter von Murmansk" zu trauriger Berühmtheit
gelangt. SZ, 2. 4. 92)
1. 4. 1992: Der alte Geist (16) Die Republikaner demonstrieren gegen den Besuch
von Polens Präsident im KZ Dachau (SZ, 2. 4. 92)
5. 4. 1992: Der alte Geist (17) Zum ersten Mal schaffen rechtsradikale bzw. nazistische
Parteien in Flächenstaaten den Einzug in den Landtag: Die REP erreichen in
Baden-Württemberg 10,9% (+ 9,9 %), die DVU (erstmals) in Schleswig-Holstein
6,6 %.
9. 4.1992: Vom Vergessen und Beschönigen (29) Das Oberverwaltungsgericht Hamburg
hebt den Baustopp für den jüdischen Friedhof in HH-Ottensen auf. Damit
darf er, entgegen der jüdischen Glaubensbestimmungen und international geübter
Praxis, durch ein Kaufhausareal überbaut werden. Der Friedhof war schon von
den Nazis zerstört worden.
21. 4.1992: Vom Vergessen und Beschönigen (30) Blockade orthodoxer Juden auf
dem Baugelände HH-OTtensen. Die Polizei trägt die Blockierer weg. Am nächsten
Tag werden Strafanträge wegen Hausfriedensbruch gestellt.
21. 4. 1992: Gegen das internationale Judentum (16) Die Bundesregierung lehnt es
ab, Israel die von der letzten DDR-
Regierung versprochenen Wiedergutmachungszahlungen zu leisten. WELT, FR und taz
unterstützen die Position. Am schärfsten formuliert Rudolf Augstein im
SPIEGEL: Es könne den Deutschen "nicht gefallen, wenn man uns in Jerusalem
beschimpft und gleichzeitig in Bonn die Hand aufhält". Die israelischen
Forderungen seien schuld am deutschen Antisemitismus: "Wie einem neu-alten
Antisemitismus entgegentreten, wenn man ihm gleichzeitig Nahrung gibt?" (SPIEGEL,
18/92)
28. 4. 1992: Deutschland bleibt deutsch (7) Die Große Rainstraße in
HH-Ottensen, direkt am ehemaligen jüdischen Friedhof gelegen, wird von der
Polizei gesperrt allerdings nur für Juden. Deutsche dürfen weiter passieren.
April 1992: Der alte Geist (18) Im renommierten Siedler-Verlag, der auch Bücher
von Strauß und Schmidt verlegte, erscheint von Sonja Margolina "Das Ende
der Lügen". Darin wird behauptet, nur durch die "exportierte Mitwirkung"
der Juden habe in der Sowjetunion das totalitäre Regime aufgebaut werden können.
Die FAZ lobte das Traktat für seinen "Bruch antiantisemitischer Konventionen",
die FR befand das Buch "sehr spannend" und "anregend kontroverse.
6. 5. 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (31) In Bonn demonstrieren 300 orthodoxe
Juden vor dem Auswärtigen Amt gegen die Überbauung des jüdischen
Friedhofes in HH-Ottensen. Die deutsche Presse verschweigt das Ereignis (mit Ausnahme
einer Notiz in der "Frankfurter Rundschau"). Schon vorher waren große
Demonstrationen mit derselben Forderung in London und New York (10000 Teilnehmer)
ebenso ignoriert worden.
18. 5. 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (32) Die deutsche Justiz setzt mit
demselben Urteil ("lebenslänglich") Unvergleichliches gleich: Die
hundertfachen Bluttaten des KZ- Leiters Josef Schwammberger und den Totschlag des
Nazi-Richters Kallmerten durch den Antifaschisten Gerhard Bögelein.
20. 5. 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (33) Helmut Kohl belehrt seine Zuhörer
auf einer Veranstaltung in Berlin, "rein statistisch" habe das Dritte
Reich 80000 Gestapo- Mitarbeiter bei einer Bevölkerung von 80 Millionen gehabt,
in der DDR seien es 120000 StasiMitarbeiter bei 16 Millionen gewesen.
21. 5. 1992: Der alte Geist (19) Unter dem Motto "Berlin bleibt wachsam"
findet vor der Jüdischen Gemeinde in Berlin eine Mahnwache gegen Antisemitismus
und Rechtsradikalismus statt. Dies ist eine Reaktion auf die Ankündigung des
rechtsextremen Wahlbündnisses "Die Nationalen", die am selben Ort
ebenfalls eine (schließlich gerichtlich untersagte) Mahnwache "gegen
den jüdischen Einfluß in Berlin" hatten durchfuhren wollen. Bemerkenswert:
Alle großen Parleien rufen zu dieser antifaschistischen Geste auf die CDU
allerdings boykottiert sie.
21. 5. 1992: Der alte Geist (20) Die Landespolizeidirektion Hamburg fordert per
Fernschreiben ihre Dienststellen auf, "ab sofort Erkenntnisse über Anreise
und Aufenthalt von orthodoxen Juden in Hamburg" weiterzumelden. Die Allgemeine
Jüdische Wochenzeitung spricht von "Judenfahndung".
24. 5. 1992: Der alte Geist (21) Bei den Kommunalwahlen in Berlin erringen die REP
insgesamt 8,3% der Stimmen estberlin: 9,9%, das ist ein Zuwachs von 6,2% im Vergleich
zu den Abgeordnetenhauswahlen im Dezember 1990; Ostberlin: 5,4%, hier beträgt
der Zuwachs 3,5 %). Die Presse schreibt trotzdem, die REP hätten "den
Schritt über die Grenzlinie der Bedeutungslosigkeit nicht überschritten"
(FAZ) oder kurz: "Vormarsch gestoppt" (taz)
3. 6. 1992: Vom Vergessen und Beschönigen (34) Im Prozeß um eine Wiederaufnahme
des Verfahrens gegen den Nazi- Polizei-Offizier Pöhlig hat sich das Justizministerium
Sachsen- Anhalt eingeschaltet. Die 1988 von der DDR-Justiz verhängte lebenslange
Freiheitsstrafe sei mit dem Grundgesetz der BRD unvereinbar, der Betreffende sei
kein Mörder, sondern allenfalls der Beihilfe zum Mord verdächtig und müsse
freigelassen werden. Pöhlig war 1988 für schuldig befunden worden, nach
dem Überfall auf die UdSSR an Massakern an mehreren tausend Juden beteiligt
gewesen zu sein. Das Bezirksgericht Magdeburg bestätigt am 3. 6. 1992 dieses
Urteil und verwirft damit die Argumentation des Justizministeriums.
15. 6. 1992: Zurück in die Zukunft (11) Der FLP-Kreisverband Stuttgart beschließt,
die im März verschobene Diskussionsveranstaltung mit dem österreichischen
Rechtsradikalen Jörg Haider im September endgültig durchzufahren.
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Most recent revision: April 07, 1998
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Martin Blumentritt