Peter Nowak

Der Feind ist der Mensch

Die Castorblockierer haben Jutta Ditfurth zur Persona non grata erklärt. Sie machten sich nicht länger nachsagen lassen, wie rechtsextrem und irrational die eigenen Motive sind
Die Bevölkerung im ostniedersächsischen Wendland steht im Ruf, besonders widerständig zu sein. Schließlich wird dort seit 1980 gegen ein atomares Endlager gekämpft. Bundesumweltministerin Merkel und Niedersachsens Ministerpräsident Schröder sind von der örtlichen Anti-AKW-Szene wegen ihrer Zustimmung zu dcn Atommülltransporten zu unerwünschten Personen im Landkreis erklärt worden. Im Juni dieses Jahres verhängte die wendländischc Anti-AKW-Szene nun auch gegen Jutta Ditfurth ein Landkreisverbot. Sollte ausgerechnet die erklärte Anti-AKW-Gegnerin in den Verdacht geraten sein, heimlich radioaktives Material zu schmuggeln. I wo.
Mehr noch als der strahlende Atommüll versetzt Ditfurths neuestes Buch, Entspannt in die Barbarei - Esoterik, (Öko-) Faschismus und Biozentrismus, die wendländischen Ökos in Rage. Als sie das Buch in der Kulturinitiative "Schwarzer Hahn" in Lüchow-Dannenberg vorstellte, blieb es noch bei verbalen Drohungen. Doch seitdem wird die Kulturinitiative von Teilen der Anti-AKW-Szene boykottiert, und noch Wochen nach der Veranstaltung war die Regionalpresse voll mit Tiraden gegen Ditfurth und ihre Einlader. Kein Zweifel, Anthroposophen und Mitglieder diverser Esoteriksekten unter den Umweltschützern fühlten sich durch die Veranstaltung erheblich gestört. Hatten sie sich doch bisher im Wendland ohne großes Aufsehen ausbreiten und in den örtlichen Bürgerinitiativen etablieren können. Und von auswärtigen Anti-AKW- Kämpfern wollte niemand so genau wissen, was sich im widerständischen Wendland tut, wenn gerade kein Castortransport behindert wird. Die als links geltende grüne Landtagsabgeordnete von Niedersachsen, Rebecca Harms, weiß, was ihre Wählerbasis von ihr verlangt; sie reihte sich in die Anti-Ditfurth-Fronde ein.
Doch "Gorleben ist überall", dieser alte Spruch der Anti-AKW-Bewegung, gilt auch in diesem Fall. Esoterik und Antihumanismus sind in der Umwelt und Anti-AKW- Bewegung mittlerweile dominant. Jutta Ditfurth ist eine der wenigen, die darauf in ihren Büchern seit Jahren hinweist. Ihr über 20jähriges Engagement in der Anti-AKW- Bewegung verschafft ihr das nötige Insiderwissen.
Innerhalb eines Jahres sind nun gleich zwei Bücher von ihr zum Thema im Konkret Literatur Verlag erschienen. Hat Entspannt in die Barbarei nicht nur die wendländische Anti-AKW-Szene in Wallung gebracht, so ist die erweiterte und überarbeitete Neuausgabe ihres 1992 erstmals erschienenen Buches Feuer in die Herzen dem in der Verlagsgeschichte bisher einmaligen Vorgehen des damaligen Econ-Taschenbuchverlag-Managers Jürgen Kreuzhage geschuldet. Der nutzte eine Klage, um sämtliche noch vorhandenen Exemplare der Erstausgabe des Buches einstampfen zu lassen.
Mit den beiden Bänden liegt eine umfassende Darstellung rechter Strömungen in der Ökologiebewegung vor, die mit dem Rechtsruck in der Gesellschaft auch dort in den letzten Jahren an Einfluß gewonnen haben. Während in Feuer in den Herzen die Gen- und Reproduktionstechnologie, die Renaissance der Atomtechnologie und die neue, alte Weltordnung noch großen Raum einnehmen, geht es in Entspannt in die Barbarei um das rechte Netzwerk in der Umweltbewegung. In den sich bis in die letzte Kleinstadt ausbreitenden Reformhäusern und Esoterikläden wird ebenso wie in den zahlreichen Traktaten der Tiefenpsychologen und New-Age-Bewegten immer offener antisemitische, nicht selten aus der NS-Tradition stammende Ideologie verbreitet. Die Esoterik mit ihrer Denunzierung von Rationalität und Aufklärung leistet dieser Entwicklung Vorschub. Esoterische Praktiken sind mittlerweile Teil des Alltagsleben von Millionen Menschen, und ein Ende dieses Booms ist nicht abzusehen.
Schon der veränderte Untertitel von Feuer in die Herzen trägt diesem Wandel Rechnung. 1992 lautete er "Plädoyer für eine ökologische linke Opposition". Die Hoffnung der Autorin, daß die außerparlamentarische Anti-AKW-Bewegung gemeinsam mit den sich gerade von der grünen Partei emanzipierenden Linken das Themenfeld Ökologie mit der sozialen Frage verbinden und von links besetzen könnte, war rasch verflogen. "Gegen die Entwertung des Menschen", lautet der neue Untertitel. Damit nimmt Ditfurth Stellung gegen die heute in der Ökoszene grassierende Uberzeugung, der Mensch im Allgemeinen und die Trikontbewohner im Besonderen seien Feinde und Schädlinge der Natur.
"Jeder Naturschutz endet dort, wo die Menschenlawine alles überrollt", verkündete der damalige Vorsitzende des Bundes fur Umwelt- und Naturschutz, Hubert Weinzierl, auf einem Seminar seiner Organisation im Oktober 1991. Eine Strömung der im Randbereich der Autonomen agierenden Veganer erklärte in ihrem Vereinsblatt "Earth First", die Zahl der Menschen müsse um 80 Prozent vermindert werden. Auch das mittlerweile verstorbene Gründungsmitglied der Grünen Herbert Gruhl setzte auf den Overkill als letztes Mittel: "Für einige überfüllte Populationen mag dann Gewalt oder sogar die Atombombe keine Drohung mehr sein, sondern Befreiung", schwadronierte der Träger des Bundesverdienstkreuzes. Andere sehen in der Ausbreitung von Aids Chancen einer Rettung der Natur vor den schädlichen "Menschenfluten".
Diese und andere rechte Positionen in der Öko- und Esoterikbewegung werden vom Mainstream der antifaschistischen Bewegung in der Regel ignoriert. Schließlich werden sie nicht von Stiefelnazis vorgetragen, sondern beispielsweise vom einst als "Report"-Moderator weithin geschätzten Franz Alt. Mit seinem Bestseller Jesus - der erste neue Mann hat der sich nicht nur als geschäftstüchtiger Trendsetter der Esoterikszene erwiesen, sondern auch tief in die Kiste des christlichen Antisemitismus gegriffen: "Mit dieser neuen ganzheitlichen Spiritualität hatte der Jude Jesus aufgehört, Jude zu sein."
Und wer will sich schon mit dem immer lächelnden Herrn Tentzin Gyatsu, besser bekannt als Häuptling der Gelbmützen, sprich Dalai Lama, anlegen. Der von seinen zahlreichen Fans aus dem Alternativmilieu als Inkarnation des Weltfriedens angehimmelte Lama ist der Führer einer feudalistischen Clique, zu deren Herrschaftspraktiken bis vor wenigen Jahrzehnten Folter und Verstümmelung unbotmäßiger Untertanen gehörten. Viele seiner hiesigen Verehrer sehen keinen Widerspruch darin, das Banner der Basisdemokratie bei den Grünen hochzuhalten. Kein Wunder, daß sich diese Partei die völkische Selbstbestimmung Tibets und die Befreiung des Landes vom "chinesischen Joch" auf ihre Fahnen geschrieben hat. Dicht gefolgt von der PDS. Deren Bundestagsfraktion stimmte im Parlament einer Allparteienresolution zu, in der "der Erhalt der tibetanischen Kultur, Religion und Identität" gefordert wird.
Doch notwendige Abwehrkämpfe können die Formulierung eines Umweltbegriffs auf materialistischer Grundlage nicht ersetzen. In der Zeitschrift "ÖkoLinx" hat Ditfurth zu diesem Zweck auf Texte von Marx und Engels Bezug genommen. Vielleicht läßt sich dazu auch in ihrem nächsten Buch etwas finden. Schließlich geht sie ja davon aus, daß "linke Kritik, rationales Denken überhaupt ... heute denunziert (werden) wie lange nicht mehr, dadurch wird Menschen das intellektuelle Werkzeug genommen, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu begreifen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen".
Jutta Ditfurth: Feuer in die Herzen. Gegen die Entwertung des Menschen, 560 Seiten, 20 Mark; dies.: Entspannt in die Barbarei. Esoterik, (Öko-) Faschismus und Biozentrismus, 224 Seiten, 28 Mark (beide im Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1997 bzw. 1996)

aus: KONKRET 12/97

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Most recent revision: April 07, 1998

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