Was ist das Gerücht von PC
In Wahrheit gibt es PC gar nicht, kann es auch nicht geben, es sei denn man glaubt
an die Allmacht der Sprache. Das Gerücht eines angeblichen Terrors durch Forderungen
von Political Correctness stammt von Leuten, die ein Interesse haben zu verhindern,
daß sie kritisiert werden, das nennen sie dann Beschneidung der Meinungsfreiheit
durch PC. Ein alter Hut. Es geht um einen Sprachkampf in den Medien, der die Sprache
gewaltig überschätzt.
Esse est percipi, Sein ist wahrgenommen werden, dieser Satz Berkeleys liest sich
angesichts einer postmodernen Situation - in anderer Bedeutung - äußerst
aktuell. Wer heute noch wahrgenommen werden will, führt ein äußersten
Daseinskampf in der Öffentlichkeit. Der Daseinskampf wird zum ästhetischen
Problem. Die immer rasantere Geschwindigkeit in der "Gesellschaft des Verschwindens"(Stefan
Breuer), der Virilio sein Lebenswerk gewidmet hat, führt jeden in Versuchung,
ob fortissimo, schreiend oder grell bunt - auf Extreme setzend sich in Szene zu
setzen. Niemand ist frei davon, es sei denn er geht unter im Einheitsbrei der "Sensationsgesellschaft"(Christoph
Türcke). (...) So treibt es raus, um sich wenigstens durch die Prügel,
die man dadurch einsteckt, der eigenen Identität zu vergewissern und Reklame
zu machen für einen Ladenhüter, den niemand will: z.B. die Naziideologie.
Reklame für sich selbst machen, bar jeden Inhalts ist das Prinzip, der Tabubruch
das Mittel. Schon der antike Kynist Diogenes onanierte in der Öffentlichkeit,
heute würde man dafür allerdings nicht mehr eingesperrt, sondern nur mitleidig
belächelt oder der Krankenwagen gerufen. Nicht einmal die Tabubrüche sind
das, was sie einmal waren.
Sie bewirken mittlerweile nur noch Gähnen, in einer Zeit wo alles nur noch
Reklame für sich macht.
Aus dieser Situation ist das Gerücht über Political Correctness
(PC) entstanden, ein Gerücht, weil es darauf basiert, daß wo Rauch ist,
auch irgendwo Feuer sein muß. Worauf die Abwehr von PC verweist, ist sie selbst
im Anderssein, es ist genau die Kommunikationsideologie, die darin besteht für
sich nur noch Reklame zu machen. Nur noch der Zweck der Reklame, nicht diese selbst,
steht in Frage. So unterscheiden sich die vergleichsweise harmlosen Versuche, der
Diskriminierung von Frauen, Minderheiten, Kindern entgegenzuwirken, von der Abwehr
von PC als Versuch, die Diskriminierung von Frauen, Minderheiten und Kindern als
Freiheit der Meinungsäußerung zu rechtfertigen, nicht darin, daß
sie derselben Ideologie der Kommunikation entsprechen. Die narzißtische Allmacht
des Gedankens und der Sprache, die den Gedanken gleich für die Tat nimmt, offenbart
die Geistesschwäche dieser Gesellschaft. Das Gerücht: Political Correctness
und seine Abwehr sind weder radikale Gesellschaftskritik noch ihr reaktionäres
Pendant, sondern nur der Zwang zur Werbung für unterschiedliche Produkte, des
Auffallens, um in der Medienwelt zu überleben.
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Most recent revision: April 07, 1998
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Martin Blumentritt