Was unseren sportlich-geschmeidigen Freund Haider und die Negationisten
zusammenbringt und vereinigt, ist ein gleicher vielleicht unbewußter,
gemeinsamer Wunsch nach einer sauberen und heilen Welt, wo es die so genannte
"Auschwitzlüge" nicht mehr gäbe. Die so deutliche und erschreckende
Redensart "was nicht sein darf, kann nicht sein" ist wie für all die
Neonazis erfunden worden.
Die Shoah hat es nie gegeben, laßt uns doch in Ruhe mit solchem
Kram, wie man weiß, hat man höchstens Läuse vergast. Daß
die Neonazis und Revisionisten aller Art das immer mit Wut und Vehemenz
wiederholen, versteht sich von selbst, die "Endlösung" ist nämlich
am Ende leider doch gescheitert, der beste Beweis, es wird doch immer noch
darüber gesabbelt und unzählige Dokumente belegen ihre historische
Existenz. Es gibt sogar noch Zeugen und Überlebende (immer weniger,
zum Glück); wäre die Shoah gelungen, hätte man davon gar
nichts mehr erfahren. Das war nämlich der ganze Zweck der Operation
"Nacht und Nebel", die Untermenschen vom Erdboden verschwinden zu lassen,
daß nicht einmal die Erinnerung daran übrig bleibe. Mit anderen
Worten: Diesmal muß es aber gründlich gemacht werden, das ist
der geheime Wunsch aller derjenigen, die sich irgendwie zum ideologischen
Material der Neonazis bekennen, ob sie es wollen oder nicht.
Wie man weiss, wurde Auschwitz so provisorisch wie nur möglich
gebaut, um nach Gebrauch, wie ein Wanderzirkus, demontiert werden zu können,
daß nicht einmal verblichener Rasen davon erzählen könnte.
Es ist kein Zufall auch, daß es kein anderes Ereignis der Geschichte
gibt, welches wie die Shoah derart negiert wird, welches man derart zu
verneinen sucht, nicht, weil man sich dessen schämt, ganz im Gegenteil,
sondern einfach weil das ständige Daran-Erinnern dessen Neueinrichtung
und Verwirklichung einstweilig selbst verhindert. Man will nichts davon
wissen, schon weil man es so gerne als politisches Ziel aufstellen möchte.
Wenn davon nicht dauernd geredet würde, könnte man damit viel
ruhiger wieder anfangen, deshalb ist es für die Neonazis so wichtig,
daß das "Gerede" darüber endlich aufhöre. Daher die historische
Wichtigkeit der deutsche Gedächtnisarbeit; was Wolfgang Benz, Ernst
Klee, Hermann Langbein und so viele andere oder vor kurzem Jahannes Rau
geleistet haben, ist umso mehr zu bewundern. Es geht nicht mehr, schon
lange nicht mehr um Schuld, sondern einfach um politische Verantwortung
für die Zukunft. Die reine und heile Welt, die sich die Neonazis alle
wünschen, ist eine judenreine und zusätzlich Zigeuner- (oder
frei nach Wahl) reine Welt, deren einziger Inhalt die Organisation des
Mordens ist.
Von der Geschichte lernt man nichts, aber nur, wenn man von ihr nichts
wissen will. So ist es für die Haiderfreunde besonders wichtig - vor
allem heute, wo doch die Vernichtungstechniken wahrscheinlich ihre Vollkommenheit
erreicht haben -, daß man von der Geschichte so Ungehöriges
nicht mehr erfahre. Alles, was man weiß, steht jeder zukünftigen
Vernichtung im Wege. Unschuld macht frei, sie ist immer wieder zu gebrauchen.
Was Hänschen nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Sobald
man mit dem Shoahgesabbel aufhören wird, liegt neuer Raum vor und
man kann sich einen Ort für neue Vernichtungsanstalten aussuchen.
Bis in die dreißiger Jahre hinein hatte Europa frei seine alten mörderischen
und so bequemen Obsessionen immer weiter entwickeln köennen. Im Laufe
der Zeit ging man immer forsch voran, mit einigen "humanistischen" und
"aufkläererischen" völlig überflüssigen Unterbrechungen,
bis es dann mit Gobineau, Drumont, Moeller van den Brnck und schließlich
Rosenberg perfekt wurde und man mit Euthanasie und Vernichtung endlich
seine alten Wunschbilder verwirklichen konnte - Oh "Schöne Zeiten"!
Aber da war nun plötzlich die alte Wunschvorstellung für alle
Male von der Wirklichkeit überholt worden und die Enttäuschung,
daß man es sich nicht mehr so anstandslos herbeiwünschen könnte,
fast unerträglich geworden. Es gab also nur einen einzigen Ausweg,
um sein Wunschdenken fortspinnen zu können: behaupten, es hätte
die Shoah nie gegeben oder sie als "Detail" herunterspielen - was z.B.
angesichts Techetscheniens oder andernorts nicht so schwierig sein dürfte.
Es ist zu fürchten, wenn es die Erinnerungsarbeit nicht gäbe,
daß Europa zu diesem erschreckenden Wesenszug seiner intimsten Vergangenheit
zurückfinden könnte; sich endlich einmal wieder eine, aber diesmal
gelungene Vernichtung zu leisten, das ist der einzige tiefe Wunsch der
neuen Nazis, alles andere bei denen ist sonst nur die schmutzig dumme Gestalt
der Diktatur.
Von Georges Arthur Goldschmidt in: Frankfurter Rundschau vom 8.3.2000
Der Schrifsteller Georges Arthur Goldschmidt lebt in Paris. Zuletzt erschien: Als Freud das Meer sah (Ammann Verlag).