Martin Blumentritt
Deutschlands Kriegsschuld an zwei Weltkriegen
Man muß den historischen Bruch zunächst einmal bemerken, den die nachbismarckische
Periode bedeutete. Die Geschichte der deutschen Nation war von Anfang an unheilvoll.
Es wurden lange Zeit Mythen gebildet, nach der das wilhelminische Kaiserreich von
1914-18 einen Verteidigungskrieg geführt haben will. Angeblich sollen die anderen
Mächte neidisch auf den Aufstieg Deutschlands zur Großmacht gewesen sein,
vor allem im Kreis der führenden Industriestaaten, die den deutsche Export
fürchteten. Vor allem der britische Handelsneid hatte es deutschen Geschichtsklitterern
angetan. Und Frankreich warf man Revanchegelüste hinsichtlich der 1870/71 festgehaltenen
Forderung nach der Rückgabe Elsaß-Lothringens vor. Ein Verschwörung
angeblich der englischen Imperialisten, die Deutschland eingekreist hätte,
würde von England ausgehen. Karl Kraus hatte so etwas schon verfolgende Unschuld
genannt.
Mit der Wirklichkeit hat das alles nichts zu tun. Die deutsche Wirtschaft war 1914
Englands wichtigster Handelspartner geworden und die Vertreter von Handel- und Finanzwelt
hatten im Gegenteil erfolgreich die britische Regierung unter Druck gesetzt, eine
den Frieden erhaltene Politik zu betreiben, was diese dann auch tat. Auch vermeintliche
Rivalitäten, wie behauptet wurde, um die außereuropäischen Kolonien
war kein Kriegsgrund. In den Vorkriegsjahren waren die kolonialen Differenzen schon
beigelegt und in der praktischen Politik spielten sie keine Rolle mehr. Sowohl in
England und Frankreich ließ - trotz der letzten Eroberungswelle in Äquatorial-Afrika
und Marokko - der imperiale Eifer nach. Schon 1902 und 1904 waren die Streitigkeiten
zwischen England und Frankreich beigelegt und mit der Entente cordiale eine feste
Verbindung geschmiedet.
Die Kriegsgründe waren europäisch. Das zaristische Rußland vom schwachen
Bürgertum bis zum Hof und Adel entwickelte im Rahmen der frühen Industrialisierung
den üblichen Nationalismus. Es wurde der Anspruch auf eine Schutzfunktion für
die griechisch-orthodoxen Fraktionen und der Balkanstaaten erhoben und der Konflikt
mit dem türkischen Imperium waren chronisch. Die Panslawisten wollten die Türken
verjagen und eine russisch-orthodoxe Herrschaft über Konstantinopol und der
türkischen Meerenge errichten. Dazu kam der Gegensatz der russischen Politik
mit Österreich-Ungarn. Dieses hatte sich ja an der Verdrängung der Türken
ebenso beteiligt und slawische Territorien erobert und hatte machtpolitische Interessen
im Balkan.
Die politischen Erfolge der Balkan-Slawen und die Positionsgewinne Rußlands
wurden als "reichsgefährdend" angesehen, da sie die seperatistischen
Bestrebungen der Nationalisten der slawischen Bevölkerung verstärkte.
Nach der Annektion Bosniens und Herzogowinas stieg die Angst der führenden
Österreichischen Kreise. Denn diese Annexion hatte dem großserbischen
Nationalismus ein derartigen Schlag versetzt, daß man das Echo erwartete.
Die Politik Österreichs war wenig kompromißbereit und politische und
militärische "Strafaktionen" gegen Belgrad, den kleinserbischen Kernstaat,
wurden für unumgänglich gehalten, sofern es gelingen könnte das Deutsche
Reich als Bündnispartner zu gewinnen.
Unter Bismarck war endlich ein politisches und militärisches Gleichgewicht
geschaffen worden. Er hatte die militärische Überlegenheit zur Sicherung
des 1871 geschaffenen Deutschlands genutzt und per diplomatischer Isolierung des
geschlagenen Frankreichs und zur Zügelung Österreichs als auch Rußlands
beigetragen. Ein allgemeiner Krieg konnte nur stattfinden, wenn Deutschland ihn
wollte. Aber genau dieser Kriegswille stieg nach der Jahrhundertwende. Das durch
Bismarck gewährleistete Machtgleichgewicht trachtete die nachbismarckische
Politik zugunsten Deutschland zu zerstören. Mit Recht ist das als "Griff
zur Weltmacht"(Fischer) bezeichnet worden. Die Eliten des Reiches richteten
sich einmal nach innen gegen die wachsende Sozialdemokratie und wollte die innenpolitischen
Probleme nach außen abwälzen, indem sie außenpolitische Erfolge
anstrebte. Nationalismus und Antisemitismus beherrschten die politischen Debatten
und wurden instrumentalisiert gegen die Arbeiterklasse. Der bürgerliche Nationalismus
drängte auf Expansion und zur Bewältigung genau der partikularistischen
Kräfte(der Polen, der Elsaß-Lothringer und der Bayern), die sie hervorgerufen
hatten.
Es wurden koloniale Forderungen angemeldet, handelspolitische Ansprüche und
machtpolitisches Mitreden, wodurch sie nicht bloß die europäischen Kolonialmächte,
sondern auch die USA und Japan provozierten. Derartige Expansionswünsche waren
aber nur dann zu erfüllen, wenn Europa unter die Vormacht Deutschland gestellt
wird. Ebenso war die Absicht sich bei der Auflösung der Donaumonarchie Teile
Österreichs über das deutsche Reich hinaus zu stibitzen und die österreichischen
Position auf dem Balkan zu erben.
Zu diesem Zweck wurde die österreichische Politik in Südeuropa nicht bloß
unterstützt, sondern es wurde mittels der Geheimdimplomatie der erste Welt
Krieg willentlich gefördert, mit allen betrügerischen und hinterlistigen
Mitteln. Es war das Verdienst Fritz Fischers, die Dokumente zu finden und endlich
realistische Quellen für die deutsche Kriegsschuld aufzutun. Des weiteren wurde
die deutsche Präsenz in der der Türkei - der Völkermord an den Armeniern
ist in diesem Zusammenhang zu sehen - ausgebaut. Rußland sollte mit deutschen
Kriegsdrohungen zum Stillhalten gezwungen werden. In den Marrokkokrisen (1905f und
1911) versuchte Deutschland Frankreich zu erpressen, mit dem Hintergedanken die
westlichen Nachbarn in Abhängigkeit von Deutschland zu bringen. Mit dem Ausbau
der Schlachtflotte sollte Großbritannien zur Akzeptierung der Hegemonie des
Deutschen Reiches gezwungen werden. Dies führte zum Bündnis von Großbritannien
und Rußland (1892 und 1897); nachdem die Spannung zwischen Frankreich und
Großbritannien und Rußland und Frankreich nach der Entente cordiale
behoben waren, entstand in Deutschland ein eigenartiges Gemisch zwischen Aggressivität
und dem Gefühl, eingekreist zu sein, obgleich dies ein selbstverschuldeter
Sachverhalt war.
Angekündigt wurde 1897, u.a.schwergepanzerte Großkampfschiffe für
Hochsseeschlachten zu bauen. Der Flottenverein, von den Kruppwerken finanziert,
besorgte die Propaganda, die zu zwei Flottengesetzen führte( 1898 und 1900).
Die anti-englische Stoßrichtung sollte verschleiert werden, aber von der Ausrichtung
her war das eindeutig und wurde auch so von den Britten richtig verstanden und führte
zur Aufrüstung ("Dreadnought") auf schwerere Ausrüstung. Darauf
antworteten die die Flottennovellen (1908, 1912), aufgrund dessen die Verständigung
mit England scheiterte, die den Weg nach Osten freihalten sollte. Denn dem galt
das eigentliche Interesse. Moltke forderte vom Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes, Jagow, die diplomatische Einleitung eines Präventivkrieges:
"In 2-3 Jahren würde Rußland seine Rüstungen beendet haben.
Die militärische Übermacht unserer Feinde wäre dann so groß,
daß er (Moltke) nicht wüßte, wie wir ihrer Herr werden könnten.
Jetzt wären wir ihnen noch einigermaßen gewachsen. Es bliebe seiner Ansicht
nach nichts übrig, als einen Präventivkrieg zu führen, um den Gegner
zu schlagen, so lange wir den Kampf noch einigermaßen bestehen könnten.
Der Generalstabschef stellte mir (Jagow) demgemäß anheim, unsere Politik
auf die baldige Herbeifürhung eines Krieges einzustellen." (cit. bei Fritz
Fischer, Griff zur Weltmacht a.a.O. 46)
Bei einem deutschen Angriff war es also gewiß, daß Frankreich, Großbritannien
und Rußland sich verbinden müssen. Die von Deutschland selbstverschuldete
Einkreisung ließ Verfolgungswahn und aggressiven Expansionstrieb zu einer
giftigen Brühe werden, die die Kriegsbereitschaft Deutschlands noch einmal
zum Kriegswillen steigerte. Es mußte nur eine Gelegenheit her, damit es nicht
zu auffällig auf die Deutschen als die Schuldigen fiele.
Diese Gelegenheit bot sich als am 28.Juni 1914 die österreichischen Thronfolger
Franz Ferdinand und Frau ermordet wurden. Das Thronfolgerpaar war allerdings nicht
sehr beliebt und man wollte es ganz gern lossein, so daß das kein Kriegsgrund
war. Der Grund, daß sie unbeliebt waren, war, daß sie Vertreter eines
Föderalismus und Trialismus zugunsten der slawischen Bevdie dkerung waren.
Zum Teil wurde ihr Tod sogar mit Erleichterung aufgenommen. Die Deutschen und Ungarn
sahen durch Franz Ferdinand ihre dominierende Position bedroht, und dann war noch
ein weiterer Kreis um Baron Conrad von Hätzendorf, dem Generalstabschef, die
alle ein Interesse an einem Krieg mit Serbien hatten.
Deutschland nutzte - zum Teil sogar unter Beschiß des Kaisers, der zeitweilig
nicht ganz so kriegslüstern war wie die anderen und betrog Österreich
und trieb es willentlich in einen Krieg, der sich zum Weltkrieg ausweiten mußte,
wie Deutschland es tatsächlich wollte. Dies konnte erst nach 1946 untersucht
werden, weil die Akten des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes zurückgegeben
wurden. Fritz Fischer hat mittels dieses schlagenden Quellenmaterials das letzte
vernünftige Wort über die Deutsche Kriegsschuld gesprochen. Damit war
die Forschung, die von der Formel L.Georges, "Sie sind alle in den Krieg hineingeschlittert"
ein für allemal widerlegt.
In einem Tagebucheintrag vom Baernreither 1914 über die Deutsche Politik im
Juli findet man Folgendes:
"In Deutschland bestand die Befürchtung, daß wir nicht mitgehen
würden, wenn uns der Anlaß des Krieges ferner liegen würde. In Algeciras
waren wir noch Sekundanten, später nicht mehr, sondern in der Marokkokrise
nicht standfest zu Deutschland. Krieg mußte aber, wie die Dinge sich durch
die Schuld der deutschen und österreich- ungarischen Diplomatie entwickelt
hatten, kommen. Daher griff Deutschland nach dem Mord in Sarajewo die Gelegenheit
beim Schopfe und benutzte den Anlaß, der sich auf der österreichischen
Seite ergeben hatte. Das ist die Geschichte des Krieges." (Cit. bei Fischer,
Griff zur Weltmacht, S.84)
Der Neid seiner Kollegen, dessen Literatur er zugunsten der Quellen rechts liegen
ließ, war ihm gewiß und daher gab es schon vor dem Historikerstreit
der Revisionisten einen richtigen Historikerstreit, die sog. Fischer-Kontroverse,
nach der niemand mehr im Ernst die deutsche Kriegsschuld leugnen kann, ohne sich
lächerlich zu machen.
Die deutsche Geheimdiplomatie trieb Österreich in den Konflikt und eine militärische
Intervention gegen Serbien und machte damit die russische Intervention und den deutsch-österreichischen
Bündnisfall sicher. Daher hatte Frankreich keine Wahl, da die militärische
Planung Berlins die Ausschaltung des westlichen Verbündeten durch einen Blitzkrieg
vorsah, wie man in Paris informiert war. Ebensowenig konnte Großbritannien
zulassen, daß Deutschland Frankreich und Rußland niederwarf und sich
zum Herrn des Kontinents erhob. Alle Versuche der britischen Diplomatie, den Krieg
zu verhindern wurden von der deutschen Geheimdiplomatie verhindert, so durch falsche
und tendenziöse Übermittlung nach Österreich. Der deutsche Operationsplan
sah auch die Verletzung der belgischen Neutralität vor und konnte keinen Zweifel
hinterlassen, daß ein siegreiches Deutschland sich am Kanal festsetzen würde.
Die Sozialdemokraten waren leider nicht die vaterlandslosen Gesellen, für die
man sie fälschlich ausgab, das war zuviel der Ehre, sie hatten mit der Zustimmung
zu den Kriegskrediten alles verraten.
Der Kriegsverlauf folgte den schon lange Zeit in Deutschland formulierten _Schliefenplan_
(1905), der von Moltke modifiziert wurde und sah einen Zweifrontenkrieg vor. Die
Blitzoffensiven sind zunächst einmal gescheitert und schlugen dialektisch in
den Stellungskrieg um, es ist eine alte Einsicht, daß dann der Krieg schließlich
verloren werden muß. Die Folgen waren u.a. die Spaltung der Arbeiterbewegung
in den revisionistischen und den radikalen Flügel und zeitweilige Rätrepubliken,
die leider nicht von Dauer waren, sonst wäre der Weltgeschichte einiges erspart
geblieben, auch das Dritte Reich und auch ein Stalin. Mit dem Versailler, dem ersten
der "Pariser Vorortsverträge", Vertrag wurde die Beendigung des 1.
Weltkrieges beschlossen. Elsaß-Lothringen wurde Frankreich zurückgegeben,
Danzig wurde freie Stadt, das Memelland fiel an Litauen; Posen, Westpreußen,
Pomerellen ging an Polen, das Hultschiner Ländchen an die CSR, die Kolonien
gingen verloren.
Der Versailler Vertrag war kein harter Frieden in Anbetracht der Tatsache, daß
Deutschland den Krieg verschuldete, angesichts der großen Opfer, die der Krieg
mit sich brachte, kam das Reich sehr sehr glimpflich davon. Die Siegermächte
haben zurecht den Anschluß Österreichs und der Sudentengebiete an Deutschland
verweigert, sonst wäre der Schuldige auch noch als faktischer politischer Sieger
hervorgegangen. Die anfangs etwas hoch gegriffenen Reperationszahlungen fielen nach
einiger Zeit flach. 1932 war jedenfalls die gesamte Reparationslast gefallen und
die militärische Gleichberechtigung Deutschlands von den ehemaligen Siegern
grundsätzlich akzeptiert.
Daß der Friedensvertrag von den Deutschen als schmerzhaft empfunden wurde,
lag nicht an seiner realen Beschaffenheit, sondern an dem Fortleben der nationalistischen
Tradition. Der Nationalismus war keine Geburt des Versailler Vertrages, sondern
bereits Urheber des Krieges gewesen. Er hatte schon seit 1870 imperiale Tendenzen
hervorgebracht, nicht erst unter Hitler. Daher ist es rechtens zu sagen, daß
die Weltkriege in einem engen Zusammenhang stehen. Sie waren diverse Versuche zum
Griff nach der Weltmacht.
Kurz nach der Niederlage der deutschen Aggressoren im November 1918 sprachen schon
nationalistischen Schmierenblätter davon, daß das Heer durch einen "Dolchstoß"
zu Fall gebracht wurde. Als Feldmarschall Hindenburg sie ebenfalls vertrat, begann
die Dolchstoßlegende allgemein Glauben zu finden. Vor dem parlamentarischen
Untersuchungsausschuß der Nationalversammlung nach den Gründen der Niederlage
befragt sprach Hindenburg von der heimlichen, planmäßigen Zersetzung
von Heer und Flotte, die ein geschlossenes und einheitliches Zusammenwirken von
Heer und Heimat verunmöglichte. Dabei berief er sich auf Ludendorff, der den
Generalmajor Sir Frederick Maurice zitierte, der diese Auffassung in der Daily News
und der Neuen Zürcher Zeitung vertreten hatte, sich aber als er die politische
Tragweite erkannte sich von seinen Äußerungen distanzierte. Besonders
dummerhaftig hatten sich die Kommunisten verhalten, die sich damit brüsteten,
sie hätten die Revolution von langer Hand vorbereitet und die Bolschewiki,
namentlich der Außenminister Tschitscherin behauptete tatsächlich, daß
eine Erhebung der deutschen Arbeiter und Soldaten stattgefunden hätten.
Daß dies nicht den Tatsachen entspricht, hätte aber bekannt sein müssen,
besonders die deutsche oberste Heerleitung mußte es wissen, da sie ja selber
schon Anfang Oktober die Parteiführer davon in Kenntnis setzte, daß die
militärische Niederlage unausweichlich sei. Breite Kreise der Öffentlichkeit
wollten dies allerdings nicht wahrhaben, nachdem ihnen die kaiserliche Regierung
4 Jahre vorschwätzte, daß der Endsieg naht. Im März 1918 hatte man
mit der Sowjetmacht einen "gnadenlosen" Siegfrieden geschlossen und Konrad
Adenauer(ja genau der Atomraketen für verbesserte Artillerie hielt), Bürgermeister
zu Köln meinte das Heer sei nicht besiegt und nicht geschlagen. Nur, wenn das
Heer nicht besiegt war, warum hat Deutschland dann kapituliert?
Die kaiserlichen Militärs hatten die Niederlage nicht verhindern können,
aber sie wurden von demokratischen Politikern abgelöst, die ihnen die Schmach
der Niederlage abnahmen und die den Waffenstillstand unterschrieben und schließlich
den Vertrag von Versaille. Nicht die Schuldigen am Krieg, auch nicht die - in den
Augen der kriegsbegeistert gewesenen Deutschen - Versager, die Militärs, sondern
diejenigen, die nichts damit zu tun hatten wurden "Novemberverbrecher"
genannt. Mit dieser Legende sollte die Weimarer Republik zu Fall gebracht werden.
Die Härte der der Kriegslasten war umgekehrt proportional zu ihrem Ruf. Es
wurde eine weitere Legende gestrickt. Die Nazis logen was das Zeug hält und
behaupteten einen Kausalzusammenhang zwischen dem Ende des Ersten und dem Beginn
des Zweiten Weltkriegs. Der "überharte" Frieden - was er mit Gewißheit
nicht war, weil nicht im Ernst die Reperationen wirklich gezahlt wurden - hätte
Deutschland gedemütigt und unerträgliche territoriale Opfer gekostet und
die Revisionspolitik hätte Hitler zufolge zwangsläufig zum "Zusammenstoß"
mit Polen geführt.
Das sind üble Lügen. Die schlimmere Lüge, daß es es sich um
eine Präventivkrieg sich handle, wird durch Berge von Akten widerlegt und kann
rechts liegen gelassen werden. Aber auch die Versaille-Legende, wie schon erwähnt,
stimmt nicht. Es war kein überharter Frieden und angesichts der Kriegsschuld
Deutschlands auch ganz gerecht. Es wäre unerträglich gewesen, wenn man
Deutschland noch zum faktischen Sieger des Krieges gemacht hätte. Militarismus
und Nationalismus der Nazis setzten nur den des Kaiserreiches fort, sofern bestand
zwischen den beiden Kriegen ein Zusammenhang und es ist ihnen gemeinsam, daß
sie ein illegitimer Griff zur Weltmacht waren.
NSDAP und Hitler standen in einer militaristischen und nationalistischen und antisemitischen
Tradition, die älter als der Vertrag von Versaille war. Schon in der Vorkriegsperiode
wurde im Alldeutschen Verband und der nationalsozialistischen Partei Österreichs
für Nationbewußtsein geworben. Nach dem Krieg begannen Hitler und andere
Schergen mit allerlei Publikationen die Deutschen zu agitieren, sie seien ein "Volk
ohne Raum", das zur Existenzsicherung die Germanisierung der Lebensräume
im Osten benötigte und um mal Originalton Hitler zu erwähne, daß
alles schon vorher so gewollt wurde, ein Zitat aus Mein Krampf:
"Damit ziehen wir Nationalsozialisten bewußt einen Strich unter die außenpolitische
Richtung unserer Vorkriegszeit. Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten
endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas
und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir schließen endlich ab die
Kolonial- und Handelspolitik der Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik
der Zukunft.
Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in
erster Linie nur an _Rußland_ und die ihm untertanen Randstaaten denken."(S.742)
Die Kriegsverbrechen am russischen oder am serbischen Volk und an anderen Staaten
in Osten waren also schon von Anfang an geplant. Man dachte schon daran, als der
1.Krieg nicht vorbei war. Die Propaganda war außerdem laut genug, daß
jeder wissen konnte, was ihn erwarten wird. Zu so einer Politik seien die "Arier",
diese merkwürdigen blonden Bestien, aufgrund ihrer rassischen Höherwertigkeit
berechtigt.
Von Anfang an, nachdem man am 30. Jan. 1933 über eine Koalitionregierung an
die Staatsmacht kam, wurde das Programm auch verfolgt. Die Deutschen lösten
sich aus den internationalen Bindungen und traten am 14.Okt.1933 aus dem Völkerbund
aus, beendeten die Mitarbeit der Genfer Abrüstungskonferenz und begannen mit
einer gigantischen Aufrüstung, die - so wie bei der Keynesianischen Wirtschaftspolitik,
Multiplikatoreffekte hatte und vorläufig bis 1937 aus der Krise herausführte.
Es war geplant bis 1940 das Deutsche Reich kriegsbereit zu machen und 1943 den Krieg
zu beginnen. Adelbart von Saldern hat in: "Permanente Krise? - Stabilität
und Instabilität des Herrschaftssystems im deutschen Faschismus" (Prokla
52 S. 79ff) den Ansatz von T.Mason weiterentwickelt, nachdem es sich um ein instabiles
System handelte, das sich in stets größer werdende Schwierigkeiten hineinmonovrierte
und hält es für notwendig von Krise in Permanenz zu sprechen.
"Hitler visierte bekanntlich noch im November 1937 den Krieg erst für
das Jahr 1943 an. Auch war im "Wehrwirtschaftlichen Neuen Erzeugungsplan"
vom Juli 1938 als Zieljahr das Jahr 1942/43 angegeben. Doch die Zeit schien immer
mehr zu drängen. Hitler und Goering wußten offensichtlich sehr genau,
daß man die forcierte Aufrüstung angesichts der schwachen ökonomischen
Ressourcen nicht lange mehr werde durchhalten können. In der Ansprache vor
den Befehlshabern vom 22.9.1939 begründete Hitler die Notwendigkeit des Kriegsbeginns
mit den bedeutungsvollen Worten:
"Wir haben nichts zu verlieren, wohl zu gewinnen. Unsere wirtschaftliche Lage
ist infolge unserer Einschränkungen so, daß wir nur noch wenige Jahre
durchhalten können. Göring kann das bestätigen. uns bleibt nichts
übrig, wir müssen handeln""(a.a.O./S.97)
Die Politik der Mobilmachung hatte Deutschland bereits in Europa isoliert und kostete
die außenpolitische Handlungsfreiheit. Großbritannien, Frankreich und
Italien (ja das faschistische Italien!) schlossen sich zur Garantie des europäischen
status quo zusammen, um die Deutschen von kriegerischer Expansion abzuhalten. Dieses
Bündnis brach allerdings durch Mussolinis eigenes imperialistisches Abenteuer
zusammen, das ihn in Gegensatz zu den Westmächten brachte. Hitler nutze diese
Situation gleich aus zum Vertragsbruch des Vertrags von Locarno, der die Militarisierung
des Rheinlands verbot (wg. Elsaß Lothringen) und schaltete Österreich
gleich, das vorher durch Italien gedeckt war. Mit der Achse Berlin-Rom war die Isolation
der Deutschen aufgebrochen. Mit der Wirtschaftskrise drohte der nationale Konsens
aufzubrechen, die Unzufriedenheit mit dem Regime wuchs und es kam, zu Sabotageakten
wegen der andauernden Versorgungsschwierigkeiten. In Überschätzung der
bereits gewonnenen militärischen Stärke glaubte Hitler schon 1937 die
Annexion Österreichs und der Tsechoslowakei sei im folgenden Jahr möglich.
Das erste gelang ja auch schon im März (12.) ganz und mit dem Münchner
Abkommen gelang es in Hinsicht der Sudentengebiete. Das lag aber daran, daß
die Westmächte Prag dazu praktisch zwangen, weil sie einen Krieg unbedingt
vermeiden wollten. Sie hätten "Mein Kampf" vorher lesen sollen. Daß
die Deutschen damit zufrieden sein werden, hätte sich damit zerschlagen. (Vielleicht
hätten sie die Akten die Fritz Fischer in den 50er Jahren durchsah, durchgucken
sollen, um die Hinterlist deutscher Diplomaten kennenzulernen).
Hitler hoffte auf Duldung auch der weiteren Ostexpansion. Für einen Rußlandfeldzug
erhoffte er sich die Mithilfe Polens und das Stillhalten Groß Britanniens
und Frankreichs. Ohnehin zur Eroberung von Territorien in Nord- und Westeuropa fest
entschlossen, zur "Liquidierung des Westfälischen Krieges"(Hitler),
also der Friedensschluß zur Beendigung des dreißigjährigen Krieges,
der die Grenzen des Reichs absteckte. Es sollte erst einmal Frankreich niedergeworfen
werden, um den Rücken freizuhalten und die politische Präsenz Englands
erledigt werden. Für den Westkrieg stellte allerdings Polen Hitler zufolge
ein Risiko dar. Da Polen sich weigerte in das deutsch-italienische-japanische Bündnis
einzuscheren und sein Autonomie preiszugeben, faßte Hitler den Entschluß
in Polen einzumarschieren, obwohl die Westmächte am 31.3. Garantien für
Polen abgegeben hatten und die militärische Unterstützung Polens zwangsläufig
daraus folgen mußte. Allerdings waren die Westmächte militärisch
nicht zureichend vorbereitet. Ihrer formellen Kriegserklärung konnten die Deutschen
gelassen entgegensehen und Stalin hoffte auf eine langen Krieg im Westen, der den
Machtverlust infolge des 1. Weltkriegs durch die Bindung Nazideutschlands im Westfeldzug
ausgleichen könnte.So konnte Hitler am 25. Aug. den Befehl geben, Polen anzugreifen,
was ein Woche später dann geschah.
Auch hier spuken Mythen herum, was passierte da wirklich. SS-Standartenführer
Alfred Naujocks überfiel mit sechs in zivil gekleideten SS-Leuten den Sender
von Gleiwitz, der sich wenige Kilometer von der Deutsch-Polnischen Grenze befand.
Das Personal wurde gefesselt und ein dem Kommando zugewiesener polnischer Dolmetscher
verlas in die aus Breslau (heute Wrotzlaw) übernommenen Nachrichten hinein
einen Aufruf des "polnischen Aufständischenverbands", der Sender
sei besetzt und die Freiheit sei nah. Das war nicht unklug ausgewählt, weil
wegen der willkürlichen Grenzziehung 1918ff es Minderheitenprobleme gab. Der
Dolmetscher traf allerdings, als er den Techniker in den Keller zu den anderen Gefangenen
brachte auf eine Beamten, der Sicherheitspolizei, der sofort schoß das Personal
befreite. So war neben dem toten KU-Häftling, den man an den Eingang legte,
noch ein zweite Leiche zu verzeichnen.
Obgleich der Sender nur lokal zu vernehmen war, nutzte die Nazipropaganda diesen
inszenierten "Vorfall" aus, um gegenüber der Gefolgschaft den Angriff
auf Polen zu rechtfertigen und sollte die Schuldfrage somit in diese Richtung weisen.
Das da etwas dran sei, ist allein schon deswegen abwegig, weil die Wehrmachtsführung
schon am 3. April 1939 den Befehl zur Angriffsvorbereitung erhielt:
"Die Aufgabe der Wehrmacht ist es, die polnische Wehrmacht zu vernichten. Hierzu
ist ein überraschender Angriffstermin vorzubereiten und anzustreben."
Auch der Krieg gegen die Sowjetunion war schon geplant, als der Vertrag Ribbentrop/Molotow
kurz vor der Unterzeichnung war:
"Alles was ich unternehme, ist gegen Rußland gerichtet; wenn der Westen
zu dumm und zu blind ist, um dies zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit
den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen und dann nach seiner Niederlage
mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden." (gegenüber
Carl. J. Burckhard)
Die seit dem nachbismarckischen Kaiserreich verfolgte Expansion nach Osten war von
Anfang an geplant und von Hitler in Reden angekündigt. Am 18.Juli veröffentlichte
der Vdie dkische Beobachter die Berliner Rede vom 15.Juli:
"Typisch bürgerlich ist der Gedanke, durch Steigerung der Wirtschaft das
Volk zu ernähren und durch den Erlös der exportierten Waren Nahrungsmittel
und Rohstoffe einzuführen. Es ist feige, pazifistische Auffassung, die hofft,
damit Kriege zu umgehen... Man träumt von einer wirtschaftsfriedlichen Eroberung
der Welt...Eine nationalsozialistische Raumpolitik blendet das Volk nicht, denn
es weiß, hast du kein Brot, dann jammere nicht, da muß das gesamte Volk
zur Erringung von Raum eingesetzt werden..."
(Das Brot, Getreide und Vieh usw. hatte man dann tatsächlich den Sowjetbürgern
weggenommen und sie in schäbiger Weise massenweise in Kriegsgefangenschaft
verhungern lassen, wenn sie nicht gleich erschossen oder erhängt wurden.)
Anders als im August 1914 gab es beim Überfall auf Polen allerdings kein Begeisterungstaumel.
Die Kriegspropaganda war noch nicht sonderlich erfolgreich.
Der Krieg war lange vorgedacht und vorbereitet, Stalins Freibrief von 23. Aug. macht
jeden Zweifel zum Dummfug, daß wirklich "zurückgeschossen"
wurde. Und so stehen die Weltkriege in einer unheilvollen nachbismarckischen Tradition
des Kaiserreiches, waren nachweislich und eindeutig von Deutschland herbeigeführt
und eine Mitschuld der anderen kann leicht widerlegt werden. Die Bemühungen
der Westmächte, den 1. Krieg zu verhindern und das Irrealistische der Härte
des Versailler Vertrages und die schon frühe Ankündigung der Absichten
der Expansion schon vor Hitlers Machtergreifung und im Schliefenplan 1905 zeugen
dafür, daß es sich keinesfalls um bloße Reaktion sich handelte.
Die Kriegsschuldfrage ist eindeutig zuungunsten Deutschlands geklärt.
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Most recent revision: April 07, 1998
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