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D i e   V i r t u e l l e   D e p e s c h e           __"""""""__
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Freies Telekommunikations-Zentrum Hamburg         """"  f t z ) """"
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Nr. 11/1998                                         """"""""""""""

Diskussionsgruppen: CL-Netz

Inhalt:  +++ Selbstverständnis und Charta 
         +++ (Un)Sinn von Ausschlüssen 
         +++ Die aktuelle Debatte 

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Zur Zeit findet eine Wahl statt. Thema: Der Ausschluß eines 
Nachrichtensystems aus dem CL-Netz. Wer die elektronischen 
Medien nicht seit vielen Jahren kennt, wird die Abstimmung 
merkwürdig finden, und das aus folgenden Gründen: 

      Was macht diese Abstimmung für einen Sinn, wenn 
      auf der anderen Seite Menschen, die strafrechtlich 
      verfolgt werden sollten, ungehindert weiter machen 
      können, indem sie sich einfach einen anderen 
      Zugangsanbieter suchen? 

und 

      Wieso muß diese Frage abgestimmt werden, 
      weshalb leistet sich eine Nachrichtenrubrik so 
      etwas wie ein Selbstverständnis, eine Charta? 

A. Selbstverständnis und Charta

Das CL-Netz blickt auf eine Geschichte zurück, die älter ist als
das Internet in Deutschland. Seine Ursprünge gründen sich auf 
zwei Quellen in München und Hannover. Aus Hannover stammt die Idee, 
Umweltgruppen und Bürgerbewegungen mit einer eigenen Diskussions-
rubrik zu vernetzen. Getragen von der Erfahrung, dass die bisher 
verfügbaren Foren in den Fido-, Maus- und vielen anderen Mailbox-
Netzen sehr technik- und computerzentriert sind. Das Thema 
"Umwelt" fand dort einfach nicht statt. Sie gründeten das Netzwerk 
"ComPost". Eine ähnliche Erfahrung machten in München computer- 
interessierte Jusos und Falken. Sie gründeten das Netzwerk 
"LinkSys", um sich einen eigenen virtuellen Raum zu schaffen, 
in dem politisch interessierte Menschen einander begegnen können. 

In den drei Jahren von 1988 bis 1991 existierten beide Netzwerke
nebeneinander her. Dann aber stellte man fest, dass sich die In-
teressen der NutzerInnen beider Netze nicht wesentlich voneinander
unterscheiden. Man vereinbarte eine Kooperation, und gründete 
schließlich das gemeinsame Netz, dessen Name aus "ComPost" und 
"LinkSys" zusammengesetzt wurde: "ComLink" oder kurz "CL". 

Diskussionforen und Newsgroups hatten damals wenig miteinander zu
tun. Im Jahr 1991 ging in Karlsruhe der DE-NIC in Betrieb. Das ist
die Stelle, bei der alle Rechner mit dem ".de" am Ende des Namens
registriert sein müssen. Zuvor fand das Internet in Deutschland 
so gut wie nicht statt; es fehlten die technischen Voraussetzungen
dafür. Um ein überregionales Forum einzurichten, mußten sich die 
Betreiber von Mailboxen oder Zugangssystemen miteinander verständi-
gen und vereinbaren, wie die Foren heißen sollen und wie die beim
jeweiligen Nachbarn angelaufenen Nachrichten an die übrigen Systeme
des Netzes verbreitet werden sollen. Daher hatten die Betreiber 
von Mailboxen mehr miteinander zu tun als heute. Es gab keine all-
gemein gültigen Standards, auf denen man aufbauen konnte. Sie 
mußten selbst gebaut oder auf die deutschen Verhältnisse und Zei-
chensätze übertragen werden. Vernetzte Mailboxen waren daher so
etwas wie die Vereinslokale von Brieffreunden, die mit anderen 
Briefe wechselten und Flugblätter austauschten. 

Aus dieser Geschichte ergibt sich geradezu zwangsläufig, dass 
sich eine Art Gruppengefühl entwickelte. Wie in jeder größeren 
Gruppe war es jedoch schwierig, gemeinsame Grundlagen zu 
definieren. Je mehr NutzerInnen sich vom CL-Netz angesprochen 
fühlten, umso größer wurde die Gruppe und umso diffuser wurde 
das gemeinsame Grundverständnis. Als im Herbst 1996 eine Charta 
für das CL-Netz angedacht wird, um das politisch-moralische Selbst-
verständnis endlich in Worte zu fassen, ist es dafür scheinbar 
schon zu spät. Die Charta des CL-Netzes, von der zunächst nur die 
Präambel verabschiedet wird, stößt auf erbitterten Widerstand von 
vielen, die nach 1992 hinzugekommen waren und erst nach und nach 
erlebten, dass sie einer Gemeinschaft mit politischem Grundver-
ständnis beigetreten sind. 

B. (Un)Sinn von Ausschlüssen

Jede Gemeinschaft ist nur so stark wie sie sich in der Auseinan-
dersetzung mit Andersdenkenden zeigen kann. Stärke in diesem Sinne 
kann darin bestehen, Probleme auszusitzen und damit deutlich zu 
machen, dass nicht jeder Pinscher die Macht hat, den starken Baum 
zu fällen, an dem er sich schubbert. Stärke kann auch darin 
bestehen, seine Grundentscheidungen machtvoll durchzusetzen und 
solche Pinscher aus dem Garten hinauszuwerfen. Bei der gerade 
laufenden Abstimmung geht es auch um die Frage, wie stark die Ge-
meinschaft CL-Netz eigentlich ist. 

Verstößt ein Nutzer eines CL-Systems ständig und beharrlich gegen 
das liberale bis sozialistische Selbstverständnis des CL-Netzes, 
ist es zunächst Sache seines Systems, ob er hinausfliegt oder 
nicht. Denn es gibt keinen Zentralrechner des CL-Netzes, auf dem 
seine Nachrichten mit Wirkung für alle Systeme ausgefiltert werden 
könnten. Also auch keine zentrale Stelle, die diese Entscheidung 
mit Wirkung für alle angeschlossenen Systeme durchsetzen könnte. 
Die Folge: Unternimmt das System des Störenfrieds nichts, bleibt 
er weiterhin Nutzer des CL-Netzes. Ist die Gemeinschaft nicht 
damit einverstanden, dass dieses System nichts übernimmt, steht 
ihr eigentlich nur eine einzige Sanktionsmöglichkeit offen: Der 
Ausschluß aus dem Netz. Was nur in der Weise funktionieren kann, 
dass keines der CL-Nachbarsysteme dem ausgeschlossenen System 
mehr die Daten zuschickt, die im CL-Netz herumgereicht werden. 
Der sogenannte "Ausschluß" ist damit eigentlich ein Boykott des 
Systems. 

C. Die aktuelle Debatte

Beim System IUS in Duisburg ist ein Nutzer angeschlossen, der 
netzweit für rechtsextreme Meinungen bekannt ist. Dabei handelt 
es sich um Helmut Fuchs, der seine Nachrichten gerne auch mit 
"Inigio Speer" unterschreibt. Der aktuelle Ausschlußantrag rich-
tet sich gegen die IUS, weil sie diesen Nutzer nicht daran hin-
dert, seine Aussendungen im CL zu verbreiten. So hat die System-
betreuung der IUS lange nicht auf Anfragen und Hinweise von Teil-
nehmerInnen anderer CL-Systeme reagiert. Die erste Reaktion wehrte 
die Anwürfe der AntifaschistInnen auf unfreundliche Art ab und ver-
wies darauf, dass es sich vor allem um eine interne Angelegenheit 
der IUS handele. So wurde schließlich der Ausschlußantrag gestellt, 
der im Brett /CL/NETZ/ALLGEMEIN verbreitet wurde. 

Wer an dieser Abstimmung teilnehmen möchte -- und das kann nach 
den Statuten des CL-Netzes jedeR NutzerIn eines CL-Systems, also 
auch Du --, antwortet auf die Abstimmungsnachricht im Brett 
/CL/NETZ/ALLGEMEIN oder /CL-HH/DISKUSSION mit einer persönlichen 
Mail an "wahlurne@cl-netz.de". Die Abstimmung endet am 22.12.1998
kurz vor Mitternacht (Eingang bei der Wahlurne). 

           Nachtrag: Ergebnis der Abstimmung 
           mitgeteilt in VDP 01/1999

Es würde uns freuen, wenn Ihr Lust daran habt, die Diskussion in
/CL/NETZ/DISKUSSION oder hier bei uns lokal in /CL-HH/DISKUSSION 
zu gestalten und Eure Meinung zu schreiben. 


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+ email: support@cl-hh.comlink.de +
+---- Ende VDP Nr. 11/98----------------------------------------+